Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Jugendpolitik, Förderung benachteiligter Kinder und die sozialpolitischen Folgen der wachsenden Zahl älterer Menschen standen im Mittelpunkt des dritten kommunalpolitischen Werkstattgesprächs der Landkreis-SPD am Samstag, den 25. Februar in Winsen (AWO-Haus, St. Georg).

Mit über 80 Teilnehmern verzeichnete dieses Werkstattgespräch einen Rekord-Besuch. Das liegt sicher auch daran, dass wir mit unseren Themen Sachverhalte erörtern, die unmittelbar unsere praktische kommunalpolitische Arbeit beeinflussen, erklärte der Unterbezirksvorsitzende Klaus-Dieter Feindt (Tostedt) am Beginn der Tagung.

Zu den Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sprachen Barbara Stiels, Leiterin der Abteilung Jugend und Familie beim Landkreis und Petra von Bargen, Geschäftsführerin der AWO-Jugendhilfe in Hannover. Die seit Jahrzehnten bestehenden Defizite der deutschen Familienpolitik erörterten die Referentinnen am Vergleich mit Frankreich und Finnland. Beide Länder haben seit langem Ganztagsschulen und Kindergärten mit Ganztagsangeboten und sind in weiten Teilen beitragsfrei. Die Rolle der berufstätigen Mutter ist gesellschaftlich akzeptiert. Erziehungsurlaub für beide Elternteile, Muttergeld ab sechstem Schwangerschaftsmonat und andere Maßnahmen zeigen die hohe Priorität für Kinder- und Jugendpolitik. Die Geburtenrate liegt daher in diesen Ländern höher. So z. B. in Frankreich bei 2,0, bei uns nur 1,3.

Bund, Land, Kreis und Gemeinden sind nun aufgerufen umzusteuern. Benötigt werden weitere Ganztagsschulen, Ganztagsangebote in Krippen und Kindergärten. Nach den Vorstellungen des Bundes sollen bis 2010 ausreichend viel Plätze für unter 3-jährige Kinder vorhanden sein. Das bedeutet bundesweit 230.000 Krippenplätze zusätzlich. Das sei aber nur eine Maßnahme von vielen, um kinderfreundliche Arbeitsbedingungen für Familien zu schaffen.

Im Landkreis benötigen wir eine weiter entwickelte Kindergartenbedarfsplanung. Die Kindergärten bekommen einen Bildungsauftrag, Kinderbetreuungskräfte müssen fortgebildet werden, frühzeitigere Sprachförderung ist unerlässlich. Kindergärten sollen auch flexible Betreuungsangebote vorhalten können und auch Beratungsaufgaben übernehmen. Vorbild seien hier die Early-Excellence-Centers in England. Dort wird in einem umfassenden Förder- und Beratungsprogramm für Kinder und Eltern auf den frühzeitigen Ausgleich von Benachteiligungen bei den Bildungschancen hingearbeitet.

Im Landkreis benötigen wir im ersten Schritt eine genauere Bedarfsanalyse. Mehr noch als bisher ist die Vernetzung der an diesen Aufgaben arbeitenden Trägern geboten. Besonders bewährt haben sich die betreuten Mittagstische als erzieherische und sozial-integrative Einrichtungen. Daran gelte es anzuknüpfen.

Das Foto zeigt (v.l.n.r.): Klaus-Dieter Feindt (SPD-Unterbezirksvorsitzender), Petra von Bargen (Geschäftsführerin AWO Jugendhilfe und Kindertagesstäten gGmbH), Angelika Tumuschat-Bruhn (Stv. Vorsitzende der SPD-Kreistagsfraktion), Udo Heitmann (SPD-Kreistagsfraktion) und Barbara Stiels (Landkreis Harburg, Leiterin der Abteilung Jugend und Familie). Unter dem Thema Offene Kinder- und Jugendbetreuung Prävention statt Repression sprach Franz Schaffeld, Kreisjugendpfleger im Landkreis, der auch Petra Pieper-Rudkowski vertrat, die krankheitshalber abgesagt hatte.

Schaffeld stellte zunächst die breite Palette von Angeboten in der Jugendarbeit im Landkreis dar, wie sie in der Jugendverbandsarbeit, in Vereinen, Jugendzentren und in der Jugendbildungsarbeit stattfinden. Es handele sich hier um Angebote, die sich im Prinzip an alle wenden. Dazu kommen die weiteren Angebote, die an spezielle Bedürfnislagen anknüpfen. Hier handelt es sich u. a. um Beratungstätigkeiten wie z. B. Drogenberatung.

Die offene Jugendarbeit liegt im Prinzip in der Verantwortung des Kreises. Es besteht aber Einigkeit, dass Jugendarbeit am besten nach den Bedürfnissen vor Ort ausgerichtet sein soll. Daher hatte der Landkreis diese Aufgaben per Vertrag auf die Gemeinden übertragen. Nachdem der Vertrag vor zwei Jahren gekündigt worden war, soll nun per 01.07.06 ein neuer Vertrag gelten. Mit acht von zwölf Großgemeinden ist bereits eine Einigung erzielt. Mit den fehlenden vier Gemeinden laufen intensive Gespräche. Der neue Vertrag enthält Eckpunkte für Qualität und Ausmaß der Jugendarbeit in allen Gemeinden. Weiße Flecken in der Landkarte der Jugendarbeit soll es nicht mehr geben. Für Schaffeld ist völlig klar, dass Jugendarbeit auch mit punktuellen Maßnahmen gerade wie dem betreuten Mittagessen ein wichtiges präventives Angebot darstellt. Es müssen den Kindern und Jugendlichen aber auch darüber hinaus Angebote für eine sinnvolle Nutzung ihrer Freizeit gemacht werden.

Das Foto Nr. 3 zeigt (v.l.n.r.): Klaus-Dieter Feindt (SPD-Unterbezirksvorsitzender), Petra von Bargen (Geschäftsführerin AWO Jugendhilfe und Kindertagesstäten gGmbH), Angelika Tumuschat-Bruhn (Stv. Vorsitzende der SPD-Kreistagsfraktion), Udo Heitmann (SPD-Kreistagsfraktion) und Barbara Stiels (Landkreis Harburg, Leiterin der Abteilung Jugend und Familie).

Das Foto zeigt Franz Schaffeld (Landkreis Harburg, Kreisjugendpfleger). In der zweiten Themenrunde ging es um die Chancen von Hauptschülern und die Integrationsarbeit mit behinderten Kindern.

Zur Situation der Hauptschule referierten Holger Blenck, Schulleiter der Heideschule in Buchholz und Horst Fuhrmann, Schulleiter der Haupt- und Realschule Hollenstedt.

Als allgemeinen Trend könne man feststellen, die Hauptschule ist bei Eltern immer weniger beliebt. Im laufenden Schuljahr haben die Eltern im Landkreis in den 5. Klassen nur noch 12,9 % des Jahrganges in der Hauptschule angemeldet, 40 % dagegen in der Realschule und 47 % am Gymnasium. Mit einer Reihe von Maßnahmen soll nun die Arbeit in der Hauptschule gestärkt werden: Ganztagsprogramm, Einsatz von Sozialpädagogen, moderne Unterrichtsmethoden, stärkerer Praxisbezug bzw. Berufsorientierung, neue Förderkonzepte, Kooperation mit anderen Schulen. Ob nun diese Maßnahmen oder überhaupt eine Förderschule mit neuem Konzept wie die Jena-Plan-Schule, die Horst Fuhrmann für den Landkreis anregte, eine Lösung bringen, wurde heftig diskutiert. Offen blieb, ob das frühe Vorsortieren der Schüler in Deutschland, das gerade vom Vertreter der UNMenschenrechtskommission kritisiert worden war oder das mehrgliedrige deutsche Schulsystem an seine Grenzen stößt.

Das Foto zeigt (v.l.n.r.): Holger Blenk (Schulleiter Heideschule, Buchholz), Horst Fuhrmann (Schulleiter Haupt- und Realschule Hollenstedt) und Helmut Schwager (SPD-Kreistagsfraktion). In die gleiche Richtung ging auch der sehr engagierte Vortrag von Ingrid Schröder, bis vor kurzem stellvertr. Schulleiterin der Schule Am Boerns Soll in Buchholz.

Mit dem Hinweis auf den Verfassungsartikel, dass niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf und entsprechenden Urteilen des Bundesverfassungsgerichtes, rief sie dazu auf, die Anstrengungen zur Integration von Behinderten in das Regelschulwesen zu verstärken.

Das Foto zeigt Ingrid Schröder (Stv. Schulleiterin der Schule für geistig Behinderte An Boerns Soll, Buchholz). In der dritten Themenrunde referierte Ulrike Küsters, Mitarbeiterin aus der Kreisverwaltung, über die Alterspyramide und die Folgen für den Landkreis. Ausgangspunkt sei die demographische Entwicklung. Die Zahl der über 65-jährigen wird bis 2015 um 13.000 und bis 2030 noch einmal um die gleiche Zahl wachsen. Eine der vielen Folgen dieser Entwicklung sei ein steigender Bedarf an Pflegeleistungen im ambulanten und stationären Dienst. Die Zahl der benötigten Pflegeplätze in Alteneinrichtungen wird von derzeit 2.000 auf 2.600 Plätze anwachsen. Kurzzeitpflege und andere Betreuungsformen werden ausgebaut. Im Ergebnis werden dadurch etwa 1.800 neue Arbeitsplätze entstehen.

Peter Johannsen, Leiter des Herbergsvereins Tostedt, ergänzte, dass Einrichtungen im Landkreis derzeit im Durchschnitt kostengünstiger arbeiten als in Hamburg. Dafür biete Hamburg vielfach den Vorteil örtlicher Nähe von Ärzten, Diensten, Einkaufsmöglichkeiten usw. Interessant könnten auch neue Wohnformen werden, wie privat organisierte Wohngemeinschaften und qualitativ weiter ausgebaute ambulante Unterstützung beim selbständigen Wohnen.

Mit großem Beifall dankten die Teilnehmer der Hauptorganisatorin der Veranstaltung, Angelika Tumuschat-Bruhn (Seevetal) für ihre Vorbereitungsarbeit. Wir haben eine so große Fülle von Anregungen für unsere Programmarbeit bekommen, dass wir das alles jetzt erst einmal sortieren und verarbeiten müssen erklärte sie abschließend.

Prof. Dr. Jens-Rainer Ahrens Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion

Das Foto zeigt Ulrike Küsters (Landkreis Harburg, Stv. Leiterin der Abteilung Soziale Leistungen) und Peter Johannsen (Leiter des Herbergsvereins, Altenheim und Diakoniestation zu Tostedt e.V.).