Neun Jahre nach seinem letzten Besuch – damals als Minis-terpräsident von Niedersachsen – war Sigmar Gabriel nun ein weiteres Mal bei der Ostfriesischen Teegesellschaft (OTG) in Buchholz-Meilsen zu Gast. Der jetzige Umweltminister hatte seinerzeit am Richtfest des Logistik Zentrums Buchholz teilgenommen. Am vergangenen Dienstag war er auf Einladung von OTG-Senior-Chef Laurens Spethmann und der örtlichen SPD-Bundestagsabgeordneten Monika Griefahn in die Nordheide gekommen.

Das Projekt geht ins sechste Jahr und kümmert sich um Jugendliche, die Schwierigkeiten haben, auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Monika Griefahn, die das Projekt für überaus gelungen hält, war auch wichtig, dem Projekt mit dem Ministerbesuch zu mehr Öffentlichkeit zu verhelfen.
Gabriel, selbst ausgebildeter Lehrer, zeigte sich nach der Präsentati-on der Ausbildungskonzeption beeindruckt, denn: Die OTG hat im Prinzip eine eigene Ausbildungsfirma geschaffen, deren Arbeit in den Gesamtbetriebsablauf der Teegesellschaft integriert wird. „Mir ist in Deutschland keine andere Firma bekannt, die das macht“, sagte der Minister. Es könnten auch nicht alle leisten, fügte er hinzu, als er hörte, dass die OTG sich ihr Engagement etwa 500.000 Euro pro Jahr kosten lässt. Dennoch bekräftigte er: „Wir als Politik müssen weitere Anreize schaffen, denn nur noch rund ein Drittel der Betrie-be in Deutschland bilden aus.“
Ausbildungsbetreuer Andreas Buß von der OTG hatte zuvor erklärt, was das Besondere des Projektes ist. Es gibt jungen Leuten, die kei-ne Ausbildungsstätte finden konnten, die Chance, sich zum Fachla-geristen und gegebenenfalls darüber hinaus zur Fachkraft für Lagerlogistik ausbilden zu lassen. Ein Hauptschulabschluss aller-dings ist Voraussetzung für die Aufnahme ins Programm, für das die Jugendlichen ein gängiges Bewerbungsverfahren durchlaufen müs-sen. Die Lehrlinge – derzeit 24 junge Männer und 5 Frauen – wer-den, etwa durch Sprachkurse, gefördert, müssen aber auch Verantwortung übernehmen. „Sie sind zum Beispiel ab einem be-stimmten Zeitpunkt auch an Qualitätskontrollen oder der Personal-planung beteiligt“, erklärt Andreas Buß. „Das ist nicht immer einfach für sie, aber sie wachsen daran und zeigen ihre Potenziale.“ Der Erfolg gibt der OTG Recht bei ihrem Engagement: Von 42 Teil-nehmern mit erfolgreichen Abschlüssen stehen heute 33 voll im Be-rufsleben.
Besonders mit drei jungen Leuten, die die Ausbildung gerade durch-laufen bzw. durchlaufen haben, kam Sigmar Gabriel ins Gespräch. Es zeigte sich, dass die verschiedensten Gründe dafür verantwortlich sein können, dass ein Jugendlicher keine Lehrstelle findet – sei es, in einer wirtschaftlichen Krise nach einem Ausbildungsplatz suchen zu müssen oder mit zwei Kindern das Vertrauen einer Firma gewinnen zu müssen. Auch Orientierungslosigkeit nach der Schule kann ein Grund sein. „Es ist wichtig, dass auch die Menschen mit einem ,Hänger‘ im Lebenslauf eine zweite Chance bekommen“, lobte Mo-nika Griefahn.
Die Fragen des Ministers und auch der anderen anwesenden Gäste offenbarten, dass es sowohl bei Arbeitgebern als auch Arbeitneh-mern eine Unzufriedenheit mit der Arbeitsverwaltung gibt. Bemän-gelt wurde von Arbeitgeberseite die Ferne der Berater zu den Berufen, von Arbeitnehmerseite die hohen bürokratischen Hürden. Auch wurden die Maßnahmen zur Eingliederungshilfe für Jugendli-che nicht als Bereicherung gesehen, sondern als „verlorene Zeit“. Sigmar Gabriel und Monika Griefahn stimmte das nachdenklich, zumal die SPD in der Bundesregierung schon einige Anstrengungen unternommen hat, die Arbeitsverwaltung effizienter zu gestalten. Monika Griefahn verwies auf die vielen Zeitverträge bei Beratern der ARGEN, die inzwischen teils schon in feste Arbeitsverhältnisse umgewandelt werden konnten. Auch verwies sie auf die Unsicher-heit bei der Zukunft der ARGEN. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Geschäftsform ARGE als nicht zulässig erklärt und der Versuch, die ARGEN schnell auf sichere Füße zu stellen, sei in die-ser Legislaturperiode am Koalitionspartner gescheitert.
Andreas Buß schloss seine Ausführungen mit dem Wunsch, dass möglichst viele andere Unternehmen sich ebenfalls wie die OTG für eine gute Ausbildung junger Leute engagieren würden. Er bekäme Anrufe von anderen Logistikern, die gute Leute suchten. Die Bereit-schaft, selbst in ähnliche Projekte einzusteigen, sehe er jedoch selten. „Dabei ist der Erfolg es wert, und wir als OTG müssen uns um unse-ren eigenen Nachwuchs keine Sorgen machen“, bekräftigte Buß. Gabriel ergänzte, dass jene Firmen, die sich zu so einem Ausbil-dungsprojekt nicht in der Lage sähen, womöglich einen Ausbil-dungsverbund mit der OTG eingehen könnten. Dies sei im Sektor der Umwelttechnologien häufiger der Fall, so der Umweltminister.