Welche Beziehungen bestehen zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und ihren Umlandgemeinden? Welche Rolle spielt dabei das Grundzentrum Stelle? Was fordert eine zeitgemäße Kommunalpolitik und welche Chancen bietet sie den Menschen? Das war ein Teil der Fragen, auf die Hamburgs Altbürgermeister Dr. Henning Voscherau in der Steller Bücherei am vergangenen Montagabend, den 5. September, eingehen wollte.

Auf Wunsch der Steller SPD war der ehemalige Erste Bürgermeister (1988-1997) nach Stelle gekommen und stellte sich in der voll besetzten Bücherei am Rathausplatz einem fast zweistündigen Gedankenaustausch.

Mit Bezug auf die Kreis- und Landtagswahlen in Mecklenburg Vorpommern zeigte sich Voscherau enttäuscht darüber, dass nahezu jeder zweite Wahlberechtigte nicht zur Wahl gegangen ist. Während beispielsweise Menschen in Nordafrika den Kampf um ihr Recht auf freie Meinungsäußerung oder Selbstbestimmung teils mit dem Leben bezahlen müssten, erkennen viele Menschen hierzulande nicht mehr, welche Chancen und Gestaltungsmöglichkeiten sie mit ihrer Nichtwahl vergeben. Als große und wichtige Aufgabe aller bezeichnete es Voscherau, junge Menschen für die Arbeit in den demokratischen Parteien zu gewinnen.

Nach Gedanken über die Vor- und Nachteile des bestehenden Länderfinanzausgleichs und einem Abstecher in die Krise der europäischen Finanzmärkte unterzog Dr. Voscherau die Forderungen aus dem Wahlprogramm der Steller SPD einer kritischen Betrachtung. Während er die Förderung der Kinder mit Ganztagsbetreuungsplätzen voll unterstützte, wurde eine Grundstücksvorratshaltung und die Vergabe von Grundstücken unter sozialen Aspekten als eher wettbewerbsverschärfend gegenüber der Metropole angesehen. Vollstes Verständnis äußerte Dr. Voscherau bei der Vision einer S-Bahn-Anbindung von Hamburg nach Lüneburg: "Glauben Sie nicht immer denen, die aus gutachterlicher Sicht Fortschritte für unmöglich halten. Auch mir wurde mehrfach versichert, dass eine S-Bahn-Verbindung von Hamburg nach Buxtehude technisch nicht umsetzbar sei. Die Wirklichkeit sieht heute zum Glück anders aus."

Politik im Großen wie im Kleinen müsse die Fähigkeit beinhalten, scheinbar unvereinbare Ziele wie "Umweltschutz" und "Arbeit und Wirtschaft" gleichsam anzusprechen und in einem mühsamen Abwägungsprozess zu Kompromissen zu kommen. "Es ist vollkommen klar, dass auf diesem Wege bei allem Bemühen auch durchaus Fehlentscheidungen getroffen werden können. Absolute Unfehlbarkeit gibt es in der Politik nicht". Wichtig sei auch, Kontinuität bei politischen Überlegungen zu zeigen. Die Denkrichtung alle vier oder fünf Jahre zu ändern, könne nicht zu einer erfolgreichen Entwicklung führen.

Mit einem kleinen Buchgeschenk, das den zukünftigen Großvater auf seine vollkommen unpolitischen Aufgaben vorbereiten soll, bedankte sich Ratsfrau Dr. Dagmar Knüppelholz bei Dr. Henning Voscherau für einen interessanten wie kurzweiligen Abend. Und Stelles Ehrenbürger Paul Neumann, seit Jahren freundschaftlich mit Voscherau verbunden, gab dem besonderen Gast noch einen guten Tropfen mit auf den Weg.