Der Winsener Stadtrat hat vor Kurzem abschließend die Rahmenbedingungen für die neuen Ganztagsgrundschulen beschlossen. Anstatt den Umfang des Ganztagsbetriebs am Bedarf der Eltern zu orientieren wird, es in Winsen aber lediglich eine „Ganztagsschule light“ geben.

Unstrittig ist, zum Schuljahr 2016/2017 Ganztagsschulen an den Grundschulen einzurichten und diese in den Folgejahren auf die Klassen 3 und 4 auszuweiten. Der gemeinsame Antrag von SPD, Grüne/Linke und Freie Winsener (unten als Download) sah darüber hinaus vor, dass die Stadt einen Zuschuss zu den Personalkosten zur Verfügung stellt, damit

  • der Ganztagsbetrieb bedarfsgerecht an den Tagen Montag bis Freitag bis 17 Uhr stattfinden kann und
  • an den Ganztagsgrundschulen durch Kooperation mit Kita- bzw. Jugendhilfeträgern ein qualifiziertes und aufeinander abgestimmtes Bildungs- und Betreuungsangebot aus einer Hand geboten werden kann.

Der Stadtrat stimmte allerdings mehrheitlich einem von CDU, Winsener Liste, FDP und dem fraktionslosen Tobias Müller unterzeichneten Antrag zu, der erst unmittelbar vor Beginn der Ratssitzung verteilt wurde. Dieser sieht vor, dass jede Grundschule - unabhängig von ihrer Größe - für das Angebot am Nachmittag zusätzliche Mittel in Höhe von 30.000 Euro pro Jahr erhält.

Die Schulleitungen haben den Mitgliedern des Ausschusses für Schulen und Kindertagesstätten in einer Arbeitsgruppensitzung dargelegt, dass allein über die Mittel aus dem "Ganztagsschulprogramm" des Landes Niedersachsen eine kontinuierliche und individuelle Bildungs- und Entwicklungsbegleitung von Grundschulkindern im außerunterrichtlichen Bereich (montags bis donnerstags bis 15.30 Uhr) nicht gewährleistet werden kann. Die Mittel reichen dafür immer noch nicht aus, obwohl sie von der Rot/Grünen Landesregierung bereits um das Dreifache erhöht wurden. Die Versäumnisse der vorherigen CDU/FDP Landesregierung wirken immer noch nach.

Brigitte Netz (stv. Fraktionsvorsitzende): „Das städtische Gelder in die Ganztagsgrundschulen eingebracht werden müssen, haben offenbar sogar die Ratsmitglieder anerkannt, die den Antrag so kurzfristig eingebracht haben. Aber sie haben sich nicht damit auseinandergesetzt, wie der Ganztag für Grundschüler aussehen muss, damit er unsere Kinder besser auf das Leben vorbereitet sowie Ganztagsschulen Eltern wirklich entlasten und so die Vereinbarkeit von JOB und Familie verbessern. Stattdessen werden die Schulen mit ein wenig mehr Geld abgespeist“.

Nachvollziehbar wurde von den Schulleitungen dargelegt, dass ein ergänzendes Angebot aus Freizeit- und Interessengruppen am Nachmittag - wie es mit den jetzt bewilligten Mitteln organisiert werden kann - den entwicklungsspezifischen Bedürfnissen der Altersgruppe der Grundschulkinder in keiner Weise gerecht wird. Gerade in dieser Altersgruppe brauchen Kinder feste Bezugspersonen durch hauptamtliches (Fach-)Personal. Durch eine Verzahnung der Jugendhilfe mit den Grundschulen auf der Basis eines gemeinsamen Bildungsverständnisses im Ganztagsschulbereich wie dies von den Schulleitungen vorgeschlagen und durch den gemeinsamen Antrag von SPD, Grüne/Linke und Freie Winsener angestrebt wurde, sollte das erreicht werden. Nachbargemeinden (wie z. B. die Gemeinde Seevetal) haben diesen Weg erfolgreich beschritten und dabei institutionelle Grenzen überwunden.

Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass aufgrund des Rechtsanspruchs auf einen Krippenplatz der Bedarf an Betreuungsplätzen für Kinder im Alter vom 1. bis 3. Lebensjahr sowie der Ganztagsbetreuung im Kindergarten- und Schulalter stetig gewachsen ist. Schon der Hortausbau wurde vom Bürgermeister und der CDU immer mit dem Argument blockiert, dass kein von den Eltern einklagbarer Rechtsanspruch auf einen Hortplatz besteht. Alternativ wurde dann die Umwandlung der Grundschulen in Ganztagsschulen vom Bürgermeister vorgeschlagen. In einer Abfrage haben die Eltern sich mit 76,6 % für die Einrichtung von Ganztagsschulen ausgesprochen. 33,2 % haben dabei einen täglichen Betreuungsbedarf bis 17 Uhr angemeldet und 36,8 % einen Betreuungsbedarf auch am Freitag.

„Dies alles wird jetzt komplett ignoriert. Ganztagsschule maximal bis 15.30 Uhr von Montag bis Donnerstag. Wem wird das gerecht? Bürgermeister und CDU sprechen laufend von der familienfreundlichen Stadt Winsen. Wenn Winsen aber nicht nur auf Plakaten und netten Flyern Familienstadt sein soll, müsste die Ratsmehrheit auch entsprechend handeln. Das hat sie nun erneut nicht getan und stattdessen die Eltern wieder im Stich gelassen. Man versteckt sich lieber hinter einer leeren Kritik an der Landesregierung“, sagt Benjamin Qualmann (Fraktionsvorsitzender).