Noch nie haben wir einen Haushalt beraten, bei dem die künftige Finanz- und Wirtschaftsentwicklung so viele Unwägbarkeiten enthält. So bleibt der Blick auf den Haushalt zwiespältig.

Die gute Nachricht:
Nach den Zahlen des Finanzhaushaltes für 2008 konnten die – eigentlich verbotenen – Kassenkredite weiter zurückgeführt werden, um knapp 3,8 Mio. Euro. Das begrüßen wir.
Auch begrüßen wir, dass für 2009 eine weitere Rückführung von Kreditmitteln in die Finanzplanung eingestellt worden ist. Die genaue Höhe ergibt sich allerdings erst heute im Zuge der Haushaltsbeschlüsse.

Der Wermutstropfen: Die schnelle Senkung der Kreisumlage auf 49.5 % hat einen stärkeren Abbau der Kassen- kredite nicht möglich gemacht. Und das Land Niedersachsen hat die im Jahr 2004 noch gültige Steuerverbundquote von 16.09 % - mit den Stimmen hier anwesender Abgeordneter – gesenkt, zunächst auf 15.04 (im Jahr 2005 und 2006) und für die Jahre 2007 und 2008 immer noch bei 15.5 % nicht auf den alten Stand gebracht. Das hat die Verbundmasse für die Kommunen inzwischen kumuliert über 500 Mio. Euro gekostet. Bleibt es dabei, kostet es die Kommunen weiterhin jährlich rund 100 Mio. Euro. Das bedeutet für unseren Haushalt schätzungsweise 1,5 bis 2 Mio Euro, die uns jährlich verloren gehen.

Die schlechte Nachricht: Gegenwärtig ist kaum eine seriöse Prognose darüber möglich, wie die Wirtschaft sich im Jahre 2009 / 2010 und damit auch die Einnahmeentwicklung für 2010 und Folgejahre darstellen wird. Gerechnet wird für 2009 inzwischen mit einem Konjunktureinbruch um 2 % des Sozialprodukts. Aber auch diese Voraussage steht auf wackeligen Füßen. Eine derartig prekäre Lage haben wir noch nie gehabt. Die Ursachen sind bekannt. Größenwahn, Übermut und eine schier unersättliche Profitgier haben die Finanzmärkte zerrüttet. Die hoch und teuer bezahlten Spitzenkräfte der Finanzwirtschaft haben – weltweit – kläglich versagt. Leider auch bei mehreren Landesbanken und glücklicherweise nur bei wenigen Sparkassen. Deren Finanzen sind jedoch durch ihre solidarischen Stützungsfonds gesichert. Sie können ihre Aufgabe als Finanzdienstleister für die breiten Bevölkerungskreise und den Mittelstand ungeschmälert erfüllen.

Das von den Großen angerichtete Finanzdesaster soll nun die Politik wieder reparieren, eine Herkulesaufgabe, ich hoffe, es gelingt, und zwar grundlegend, nachhaltig und nicht durch Versuche eines kurzatmigen Aktionismus verschlimmbessert wird. Wer nach Steuersenkungen schreit, muss wissen, dass dies letztlich sich niederschlägt in Mindereinnahmen bei Gemeinden und Landkreisen. Dort fehlt dann das Geld für die Konsolidierung der Haushalte und dringend notwendige Investitionen und nach wie vor unterfinanzierte wichtige soziale Aufgaben. Wir haben mit unserer Debatte um die Jagdsteuer leider auch Anlass, vor der eigenen Haustür zu kehren. Wenn man überhaupt an Steuersenkungen denkt, dann doch bei den unteren Einkommen. Das ist nicht nur sozial gerecht, sondern auch konjunkturfreundlich, denn dieses Geld fließt überwiegend nicht aufs Sparkonto, sonder stärkt die schwächelnde Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen. Unsere Jagdfreunde gehören jedoch mehrheitlich nicht zu der eben angesprochenen Einkommensgruppe. Nicht zum ersten Mal weisen wir darauf hin, dass neben dem Abbau von Schulden ausreichend Mittel im Kreishaushalt zur Verfügung stehen müssen, damit wir unseren eigenen Gestaltungsspielraum in der Kreispolitik nicht verspielen, sondern sichern.

Die Mehrheitsfraktion sieht den Gestaltungsspielraum gegenwärtig vor allem im investiven Bereich. Das ist in der gegenwärtigen Situation, in der es darauf ankommt, die abflauende Konjunktur zu stützen, nicht falsch. Das gilt besonders dann, wenn mit diesen Investitionen kleinere und mittlere Betriebe Beschäftigung finden und umso mehr, wenn es gelingen sollte, dafür auch Bundes- und EU- Mittel einzuwerben. Was wir kritisieren, ist die Unausgewogenheit der Haushaltspolitik. Wir haben nicht nur Defizite in der Infrastruktur, an Strassen, Radwegen und Gebäuden. Wir haben vor allem immer noch Defizite in Bereichen der Sozial- und Jugendpolitik. Immer noch tragen wir an den schmerzlichen Eingriffen in die Jugend- und Sozialpolitik vergangener Jahre und an Versäumnissen, die sich bis heute auswirken. Nach wie vor ist es so, dass unser Landkreis im Bereich der Familienpolitik und der Kinderfreundlichkeit im bundesweiten Vergleich in mehreren Aspekten ziemlich beschämende hintere Plätze belegt. Hier brauchen wir eine deutliche Wende zum Besseren, auch mehr kreatives Potential, um jugendpolitische Initiativen in Gang zu bringen. Dazu haben wir auch ganz konkrete Vorschläge unterbreitet. Hier wird leider auch immer wieder eingewendet, das seien konsumtive Ausgaben. Diese könnten wir uns nicht leisten.

Dazu sagen wir: Wenn irgendetwas zukunftsfähig ist, dann sind es Projekte zur Verbesserung der Lebensverhältnisse unserer Kinder und Jugendlichen. Sie mögen auf der konsumtiven Seite des Haushaltes stehen. Sie sind aber Investitionen in die Zukunft von uns allen.

Aber, meine Damen und Herren, nicht überall, wo Zukunft drauf steht, ist auch Zukunft drin. Das gilt auch für den famosen Zukunftsfonds des Landkreises. Dieser hat sich nun entgültig als Flop entpuppt. Überrascht hat uns das nicht. Das ganze Projekt war strategisch verquer angelegt. Da hatte ursprünglich ein MdL die Idee, vom Land zurückfließende Mittel in ein Fonds einzubringen und dann vom Kreis für Wirtschafts- oder Investitionsprojekte zu verteilen. Seine Fraktion fand das nicht ganz so gut und um die Sache irgendwie zu retten, kam dann der „Zukunftsfonds“ auf die Tagesordnung. Die Gemeinden sollten zusammen mit dem Kreis einzahlen, aber ohne genau zu wissen, ob oder was dann wieder für sie heraus- kommt. Es kam, wie es kommen musste. Diejenigen, die als Projekt ein Eisen im Feuer hatten, waren dafür, die, die es nicht hatten, dagegen. Das Projekt ist gefloppt. Das war vorhersehbar. So kann man eben nicht Finanz- und Strukturpolitik betreiben. Und schon gar nicht ist es angemessen, die Entscheidungsträger in den Gemeinden zu kritisieren; sie wollten nicht Lotto spielen, sonders sind verantwortungsvoll mit ihren Haushaltsmitteln umgegangen.

Es ist zweifellos richtig, dass unser Landkreis ökonomisch und in seiner Infrastruktur vorangebracht werden muss. Daher unterstützen wir auch die Tätigkeit der WLH, unserer kreiseigenen Wirtschaftsfördergesellschaft, wie auch die Aufgabe der Süderelbe AG, die richtigerweise Kreis- und Landesgrenze übergreifend arbeitet. Es geht dabei um die Stärkung der Wirtschaftskraft des Landkreises und um die Einrichtung neuer Arbeitsplätze. Neue Arbeitsplätze sind uns hoch willkommen, ganz gleich, ob im High – tech – Bereich oder anderen Arbeitsgebieten. Ob das angesichts der aktuellen Entwicklungen im vorgestellten Ausmaß und in der Geschwindigkeit geschieht, die einige erwartet haben, das steht auf einem anderen Blatt. Aber: Bei aktuell immer noch fünfeinhalbtausend Arbeitslosen im Landkreis brauchen wir zweifelsfrei Arbeitsplätze, und zwar in möglichst verschiedenen Branchen. Dabei sollten uns unsere Wirtschaftsförderungsgesellschaften unterstützen. So wichtig uns also die wirtschaftliche Entwicklung sein muss, so wichtig ist es auch, dass unser Landkreis jugend- und sozialpolitisch nicht ins Hintertreffen gerät.

Die SPD – Fraktion hat daher eine Reihe von Anträgen eingebracht, die dazu dienen, dass der Kreis endlich auch deutliche jugend- und sozialpolitische Akzente setzt.

Ich zähle die Anträge hier nur auf. Das Nähere wird dann bei der Einzelberatung unserer Anträge gesagt. Es geht um folgende Initiativen: 1. Einrichtung einer Jugendstiftung Es geht um die Entwicklung innovativer Projekte der Kinder- und Jugendförderung 2. Projekt gegen Schulverweigerung Mit Hilfe professioneller Sozialarbeit soll die Zahl der Schulverweigerer deutlich vermindert werden. 3. Integration von Migranten Das Projekt entimon (Sprachförderung in Migrantenfamilien mit Kindern) soll fortgesetzt werden. 4. Förderung familienfreundlicher Personalpolitik Betriebe mit besonders familienfreundlich gestalteten Arbeitsbedingungen sollen prämiert werden. 5. Fortführung des Projektes Elternkontaktstelle KEKS Durch gezielte Beratung soll Eltern frühzeitig bei Entwicklungsproblemen mit ihren Kindern geholfen werden. 6. Kriseninterventionsstelle für akute psychiatrische Notfälle Mit einem Notfalldienst auch an Wochenenden soll mit Hilfe fachlich kompetenter Beratung situationsgerecht reagier werden können.

Mit Hilfe der vorgeschlagenen Maßnahmen sollen Defizite behoben und neue Wege im Bereich der Jugend- und Sozialpolitik beschritten werden. Sie tragen dazu bei, das Ungleichgewicht zwischen Wirtschaftsförderung und Sozialpolitik zu korrigieren und die Entwicklung zu einem familienfreundlichen Landkreis voranzutreiben. Wir legen großen Wert darauf,dass diese Umsteuerung auch in unseren Haushaltsbeschlüssen deutlich seinen Ausdruck findet und appellieren an die Mehrheitsfraktionen diesen Weg mitzugehen.Unsere Vorschläge sind,wie die Auschußberatungen gezeigt haben,durchaus finanzierbar und bringen auf mittlere und längere Sicht sogar Entlastungen bei den sozialen Kosten. Wir brauchen nicht nur Leuchttürme bei der Wirtschaftsförderung, wir brauchen auch Leuchttürme in der Jugend- und Sozialpolitik. Einem Haushalt mit Steuersenkung und sozialpolitischer Schieflage können wir nicht zustimmen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Prof. Dr. Jens-Rainer Ahrens