Für die Sozialdemokraten im Landkreis Harburg ist Bildung nach wie vor das zentrale Zukunftsthema: „Bildungschancen für alle“ war deshalb auch das Thema, das jetzt auf dem Neujahrsempfang 2011 des SPD-Unterbezirks Landkreis Harburg diskutiert wurde.

Klaus-Dieter Feindt, der Vorsitzende des SPD-Unterbezirks Landkreis Harburg, konnte über 180 Gäste aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sowie den SPD-Gliederungen im Alten Geidenhof in Hanstedt begrüßen. Die SPD sei im Kommunalwahljahr 2011 sowohl inhaltlich wie personell gut aufgestellt und wolle die Mehrheitsverhältnisse im Kreistag verändern.

Prof. Dr. Jens-Rainer Ahrens, Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion, nahm in seiner Rede vor allem die Siedlungsentwicklung des Landkreises Harburg unter die Lupe. In den letzten 40 Jahren, von 1970 bis 2010, habe der Landkreis Harburg von 145.000 auf 246.000 Einwohner zugelegt. Es sei nach wie vor sinnvoll, Wohnen und Gewerbe entlang der drei Bahnlinien bzw. Siedlungsachsen Hamburg – Bremen, Hamburg – Lüneburg und Hamburg – Stade zu konzentrieren, ferner auch entlang der Autobahnen. Wichtig sei es aber, geschlossene Grünräume zwischen den Achsen zu erhalten und die Zersiedlung der offenen Landschaft zu verhindern. Die nächsten 40 Jahre („Leitbild 2050“) in den Blick nehmend, forderte Prof. Ahrens, bei der Ausweisung von Flächen für Wohnen und Gewerbe den Natur- und Landschaftsschutz zu beachten und den Erholungswert der Landschaft zu erhalten. Dies gelte auch für die laufenden Arbeiten am Regionalen Raumordnungsprogramm 2025 (RROP), der die Weichen für die zukünftige Entwicklung stellen soll.

Als Hauptredner zum Thema Bildungspolitik hatte der SPD-Unterbezirk Stefan Schostok gewinnen können, der SPD-Fraktionsvorsitzender im Niedersächsischen Landtag und Vorsitzender des SPD-Bezirks Hannover ist. In seiner Rede beschrieb Schostok die landes- und kommunalpolitischen Herausforderungen für Bildung, Qualifizierung und lebenslanges Lernen, denn nicht nur das Land Niedersachsen, sondern auch die Landkreise, Städte und Gemeinden sind als Träger von Schulen und Kindertagesstätten hier gefragt. Nachfolgend einige Auszüge aus der Rede von Stefan Schostok.

Im Mittelpunkt steht für die SPD in Stadt und Land eine bessere frühkindliche Bildung und Betreuung:

„Alle Maßnahmen im Bildungsbereich werden nicht greifen, wenn wir mit einer intensiven Förderung von Kindern nicht schon bei der frühkindlichen Bildung anfangen. Und sie werden nicht fruchten, wenn wir nicht damit aufhören, Schüler an unseren Schulen schon nach vier Jahren auf unterschiedliche Bildungswege zu verteilen. Denn dann wird für viele Kinder – vor allem für Kinder aus Arbeiter- und Migrantenfamilien – nicht nur die Chance auf ein Studium gegen Null tendieren. Sie werden auch keine Chance haben, ihre Leistungspotenziale voll auszuschöpfen und sich eine sinnvolle und befriedigende Zukunft aufzubauen. Deshalb brauchen wir ein anderes Bildungssystem von Anfang an.“

Die Zahl der Krippenplätze ist nach wie vor viel zu niedrig. Deshalb sind hier noch erhebliche Anstrengungen erforderlich, so Stefan Schostok:

„Die Wirtschaftsnation Deutschland ist im Bereich der frühkindlichen Bildung Schlusslicht und Niedersachsen liegt mit einer Versorgungsquote von 12 Prozent im Bundesvergleich auf dem vorletzten Platz. Das ist zu wenig. Deshalb ist es zunächst notwendig, mehr Plätze – also mehr Quantität zu schaffen. Die Verabredung zwischen Bund und Land diesen Ausbau finanziell voranzutreiben, ist richtig und wichtig. Wir meinen aber, wenn ein Land wie das unsere so weit hinter den anderen zurückhängt, dann muss es auch eigenes Geld in die Hand nehmen und den Ausbau weiter beschleunigen. Die SPD Niedersachsen will eine Aufholjagd starten, um die erforderlichen 25.000 Plätze zu schaffen und das notwendige Personal dafür zur Verfügung zu stellen. Wir wollen, dass bis zum Jahre 2013 für 35 Prozent unserer Kinder unter drei Jahren ausreichende Krippenplätze eingerichtet werden.“

Es geht der SPD Niedersachsen jedoch nicht nur um zusätzliche Plätze, sondern auch um eine bessere Qualität der Betreuung:

„Aber Quantität allein reicht nicht, wir brauchen auch mehr Qualität. Dabei geht es uns darum, die Arbeitsbedingungen für die Erzieher und Erzieherinnen zu verbessern. Es geht uns aber vor allem darum, dass unsere Kinder in jedem Fall genug Zuwendung vom Erziehungspersonal bekommen. Für die SPD-Niedersachsen sind auch Krippen und Kindergärten Bildungseinrichtungen. Und wenn das Personal ausreichend Zeit für jedes Kind hat, dann hat es Zeit für Zuwendungen, dann hat es Zeit, die Kinder zu fördern. Dann es auch mehr Zeit für Elterngespräche und für die Kooperation mit den Grundschulen oder für Sprachförderung.


Deshalb hat die SPD-Landtagsfraktion einen Gesetzentwurf zur Verbesserung der Qualität in Tageseinrichtungen für Kinder entwickelt und in den Landtag eingebracht. Die vier zentralen Punkte lauten: Wir wollen den Personalschlüssel in Krippen – also in den Einrichtungen für die unter dreijährigen Kindern – reduzieren. Zukünftig soll eine Erzieherin nur noch 5 Kinder betreuen und nicht wie bisher 7,5 Kinder. Wir wollen die Verfügungsstunden für das Personal von derzeit 7,5 Stunden pro Gruppe auf 12 Stunden erhöhen. Wir wollen die Gruppengrößen in den Kindertagesstätten – also für die Kinder von drei bis sechs Jahren – von derzeit 25 auf 20 Kinder reduzieren. Wir wollen landesweit eine Aufnahme für alle Kinder mit Behinderungen in den Krippen ermöglichen. CDU und FDP haben unseren Gesetzentwurf abgelehnt.“

Heftig kritisierte Schostok die Schulpolitik der schwarz-gelben Landesregierung:

„Eines der traurigsten Kapitel in der Bildungspolitik dieser Landesregierung ist die Schulpolitik. Vor Kurzem haben zwei Studien das Scheitern dieser Politik belegt: Der Bundesbildungsbericht bescheinigt eindeutig, dass Niedersachsen unter den westlichen Flächenländern den höchsten Anteil von Kindern in Elternhäusern und Familien in sozialen Risikolagen wie z. B. Erwerbslosigkeit, Alleinerziehung und Migrationshintergrund besitzt. Die Schulvergleichsstudie belegt, dass in Niedersachsen – nach Bayern und Baden-Württemberg – die Chancen eines Akademikerkindes über 5-mal höher sind, ein Abitur zu machen als bei einem Facharbeiterkind. Wohl bemerkt: bei gleicher Begabung. Diese große Abhängigkeit von der sozialen Herkunft ist und bleibt beschämend.“

Zur aktuellen Debatte um die sog. „Oberschule“ merkte Schostok an:

„Die Oberschule wird kommen. Vor Ort wird es Schulträger geben, die die Oberschule einführen, weil sie lieber den „Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach haben“. Nach unserer Auffassung wäre es einfacher, effizienter und leistungsorientierter, den Willen vieler Eltern zu respektieren und die Mindestzügigkeit neuer Integrierter Gesamtschulen auf vier und in Ausnahmen auf drei bzw. auf zwei zu senken. Nach 2013 werden wir die Möglichkeit schaffen, Oberschulen in Integrierte Gesamtschulen weiterzuentwickeln, wenn Eltern und Schulträger dies wünschen.“

Für die SPD Niedersachsen sieht eine gute Schule wie folgt aus:

  • „Wir sagen: Die Schulträger müssen ein regional angepasstes, flexibles und stabiles System vorhalten können, das den Anforderungen einer hohen Qualität, aber auch den demografischen Veränderungen entspricht. Diese rasche Umgestaltung des allgemeinbildenden Schulsystems ist alternativlos. Und das nicht erst seit heute, sondern schon seit Jahren.“
  • „Wir sind für die Entlastung von Schulleitungen, für eine bessere Schulsozialarbeit an allen Schulen, für Schulpsychologie und für mehr Beratungslehrkräfte. Das gehört zum Gesamtbild einer guten Schule. Wir brauchen unterschiedliche Profis an einer guten Schule.
  • Und wir wollen genauso echte voll ausgestattete Ganztagsschulen. Da rühmt sich der Kultusminister, es gäbe weit über 1000 Ganztagsschulen, aber sie sind nicht ausgestattet und keine gebundenen Ganztagsschulen. Auch hier werden die Schulträger alleine gelassen. Das Land stiehlt sich mal wieder aus seiner Verantwortung.
  • Wir wollen eine Unterrichtsversorgung im vollen Umfang der Stundentafel und die Festsetzung der Klassenobergrenze auf 24 Schülerinnen und Schüler. Dafür brauchen wir mehr Lehrkräfte. Das ist teuer. Da wir nichts versprechen, was wir nicht halten können, brauchen wir einen realistischen und auch finanzierbaren Stufenplan. Der Stufenplan legt sinnvolle Schritte hin zu kleineren Klassen fest.
  • Eltern sind die besten Experten ihrer Kinder. Eltern sollen selbst entscheiden, welche Schule ihr Kind besuchen soll. Wir halten am Elternwillen fest. Wir wollen mehr Zeit zum Lernen für alle Kinder. Das gehört zu uns zu einer guten Schule.
  • Wir wollen an der Gesamtschule das Abitur nach 13 Jahren erhalten. Das Turboabitur muss dort weg. Eltern und Kinder müssen die Wahl haben, ob sie das Abitur nach 12 oder nach 13 Jahren ablegen wollen. Es gibt Kinder, die schaffen ihr Abitur in 12 Jahren. Ich kenne auch Leute, die brauchen 14 Jahre und aus denen ist auch was geworden. Andere Kinder brauchen mehr Zeit. Denn jedes Kind ist einzigartig.“

Auch die Inklusion, insbesondere die Integration von Kindern mit Behinderungen und Förderbedarf, ist für die SPD Niedersachsen ein wichtiges Thema:

„Eine weitere große Herausforderung für soziale Gerechtigkeit ist die Inklusion. Die UN-Menschenrechtskonvention fordert einen Paradigmenwechsel in der Bildungspolitik. Das bedeutet: Es wird allen Schulformen und allen Beteiligten eine neue Haltung abfordern. Wir fordern deshalb einen Aktionsplan zur Umsetzung der Inklusion in Niedersachsen und haben ganz aktuell einen Gesetzentwurf mit einem Rechtsanspruch für Eltern im Land eingebracht. Eltern sollen aus der Rolle des Bittstellers gegenüber Schulen und Schulbehörden befreit werden, nicht mehr von Pontius zu Pilatus laufen müssen. Denn: Eine gute Schule ist für alle Kinder da. Ob ohne oder mit Behinderung. Wir wollen, dass Eltern entscheiden, auf welcher Schule ihr Kind unterrichtet wird. Auch hier nehmen wir den Elternwillen ernst. Wir wollen deswegen einen Rechtsanspruch für Eltern. Der gemeinsame Schulbesuch von Kindern mit und ohne Behinderung muss die Regel werden. Das wird nicht von heute auf morgen gehen. Das wissen wir. Aber wir müssen jetzt anfangen. Dazu brauchen wir ein Aktionsprogramm, das verbindliche Schritte festlegt. Wir brauchen z. B. eine behindertengerechte Ausgestaltung der Unterrichtsräume, Sonderpädagogen und Sonderpädagoginnen und eine Weiterbildung der Lehrkräfte.“

„Für die Vorschläge, wie eine gute Schule auszusehen hat, haben wir viel Zustimmung geerntet – von Eltern, von Lehrkräften und von Städten, Gemeinden und Landkreisen. Der Druck von Eltern, Lehrern, Schülerinnen und Schülern, aber auch von den Kommunen ist größer geworden. Alle fordern bessere Schulen und einen besseren Unterricht. Wir sind davon überzeugt, dass wir viele gute Lösungen erarbeitet haben. Wir haben ein Logo für Gute Schule entwickelt, das unser Markenzeichen für unsere Vision von guter Schulpolitik ist.“

Stefan Schostok erntete viel Beifall für seine Rede; es folgten angeregte Diskussionen und Gespräche in kleiner Runde. Der SPD-Ortsverein Hanstedt hatte wieder einmal für alle Gäste des Neujahrsempfangs ein fantastisches Büfett vorbereitet.

Das Gruppenfoto zeigt (v.l.n.r.): SPD-Fraktionsvorsitzender Stefan Schostok, MdL, Brigitte Somfleth, MdL, Bernd Lange, MdEP, Klaus-Dieter Feindt und Silva Seeler, MdL.