Die SPD im Landkreis Harburg hat nach umfangreicher Diskussion und Antragsberatung einstimmig das „Zukunftsprogramm Landkreis Harburg“ beschlossen. Ein neuer Unterbezirksvorstand wurde für die nächsten zwei Jahre gewählt. Die SPD-Bundestags-abgeordnete Kirsten Lühmann sprach zum Atomausstieg und zum Umstieg in die Erneuerbaren Energie. Das Thema lautete: „Atomausstieg: jetzt und endgültig!“

Der ordentliche Unterbezirksparteitag fand am 7. Mai in der Winsener Stadthalle statt. 60 Delegierte aus den SPD-Ortsvereinen sowie die zwölf bisherigen Unterbezirksvorstandsmitglieder hatten Stimmrecht auf dem Parteitag.

Kirsten Lühmann, MdB
Das Foto zeigt Kirsten Lühmann, MdB, und den Winsener SPD-Bürgermeisterkandidaten Dr. Dieter Bender.

SPD-Bundestagsabgeordnete Kirsten Lühmann sprach zur Energiepolitik

Als Referentin hatte der Unterbezirk die SPD-Bundestagsabgeordnete Kirsten Lühmann gewinnen können, die im Deutschen Bundestag stv. Mitglied des Gorleben-Untersuchungs-ausschusses ist und die den Landkreis Harburg für die SPD-Bundestagsfraktion mitbetreut.

Lühmann ging zunächst auf die Atompolitik ein und kritisierte scharf die schwarz-gelbe Bundesregierung. Die Einsetzung einer Ethikkommission sei nicht sinnvoll. Man müsse auf der Straße zeigen, was man von der Politik der Bundesregierung halte. Mit dem Castor-Camp habe die SPD in Lüchow-Dannenberg gegen die Atompolitik demonstriert. Kirsten Lühmann lobte die Mahnwachen, die im ganzen Land – auch im Landkreis Harburg – durchgeführt werden.

Die Auswahl von Gorleben als mögliches Endlager sei von der damaligen CDU-Landesregierung nicht nach wissenschaftlichen, sondern nach zweifelhaften politischen Kriterien erfolgt. An der Eignung von Gorleben bestehen erhebliche Zweifel. Der Skandal um die absaufende Asse zeige, dass man bei der Auswahl eines Endlagers größte Sorgfalt walten lassen müsse und insbesondere auf die Möglichkeit der Rückholbarkeit der Atomabfälle achten müsse. Die SPD habe mit dem AK Endlager noch unter Verantwortung des früheren Bundesumweltministers Sigmar Gabriel international Maßstäbe für eine an wissenschaftlichen Kriterien ausgerichtete Endlagersuche gesetzt. Die langjährige Blockadehaltung von Bayern und Baden-Württemberg bei der Endlagersuche sei nicht hinnehmbar; die neue Landesregierung in Baden-Württemberg habe jetzt aber einen Kurswechsel herbeigeführt.

Die SPD habe 1986 auf ihrem Parteitag in Nürnberg die Wende in der Energiepolitik herbeigeführt und stehe seitdem für den Atomausstieg. Die rot-grüne Bundesregierung habe dann ab 1998 den Atomausstieg eingeleitet und diesen 2000 durch einen Vertrag mit der Energiewirtschaft (Atomkonsens) und die anschließende Änderung des Atomgesetzes auch tatsächlich umgesetzt. 2005 habe die SPD in der Großen Koalition erreicht, dass es beim Atomausstieg blieb. Danach wäre das letzte Atomkraftwerk bis 2022 vom Netz gegangen. Die schwarz-gelbe Bundestagsmehrheit habe hingegen im Herbst 2010 durch eine Änderung des Atomgesetzes die Laufzeiten der Atomkraftwerke um durchschnittlich 12 Jahre verlängert. Dies sei unverantwortlich gewesen. Dagegen klagt die SPD-Bundestagsfraktion mit einigen Landesregierungen und anderen Beteiligten vor dem Bundesverfassungsgericht. Die Stilllegung von 7 deutschen Atommeilern sei nicht vom geltenden Atomgesetz gedeckt. Auch schon vor dem Unglück von Fukushima seien die Terrorgefahren und die möglichen Folgen des Ausfalls von Stromsystem bekannt gewesen. Kirsten Lühmann brachte die Atompolitik auf den Punkt: „Die Bundesregierung betreibt Volksverdummung!“

Kirsten Lühmann ging dann noch auf die nötige Energiewende und den Wechsel zu Erneuerbaren Energien ein. Deutschland brauche eine stärker dezentrale Energieversorgung und mehr Investitionen in Erneuerbare Energien. Die Kraft-Wärme-Kopplung müsse wegen ihrer besseren Energieeffizienz stärker gefördert werden. Gebäudesanierung und Energieeinsparung, mehr Investitionen in die Netze und in Speichertechnologien seien weitere wichtige Eckpunkte einer zukünftigen Energieversorgung. Die Biomasse müsse man im Detail betrachten und jeweils die örtlichen Verhältnisse in Augenschein nehmen. Die Delegierten und einige anwesenden Gäste quittierten die Rede von Kirsten Lühmann mit Beifall.

Delegierte des Parteitags
Delegierte des Parteitags

Beratung und Beschlussfassung des „Zukunftsprogramms Landkreis Harburg“

Zweiter großer Schwerpunkt des Parteitags war die Beratung des „Zukunftsprogramms Landkreis Harburg“ und der dazu vorliegenden Anträge zur Ergänzung oder Änderung aus den SPD-Ortsvereinen. Mit ihrem Zukunftsprogramm beschreibt die SPD, was sie im Landkreis Harburg in der kommenden Wahlperiode von 2011 bis 2016 und darüber hinaus für die Bürgerinnen und Bürger erreichen und umsetzen will. Die Antragsberatung leitete Angelika Tumuschat-Bruhn aus Seevetal.

Das Kreiswahlprogramm wurde seit September letzten Jahres in drei öffentlichen Werkstattgesprächen unter Einbeziehung namhafter Expertinnen und Experten sowie in zahlreichen Sitzungen erarbeitet. In zehn Kapiteln nimmt die SPD zu allen Fragen der Kreispolitik Stellung: Bildung für alle, ein Netzwerk für unsere Kinder und Jugend, Arbeit und Wirtschaft, zukunftsweisende Regionalplanung, die Stärkung des sozialen Zusammenhalts, Wohnen und Leben im Alter, Umwelt- und Naturschutz, die Förderung der Erneuerbaren Energien, nachhaltige Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Mobilität für alle, nachhaltige Investitionen in die kommunale Infrastruktur sowie solide Finanzen sind die zentralen Themen und Kapitel des Zukunftsprogramms.

In der Bildungspolitik fordert die Kreis-SPD von der Landesregierung, dass diese nicht länger die Gründung von Gesamtschulen blockiert. Die von der schwarz-gelben Landesregierung propagierte Oberschule sei nur die zweitbeste Lösung gegenüber Gesamtschulen. In allen Städten, Samt- und Einheitsgemeinden will die SPD vor dem Hintergrund sinkender Schülerzahlen ein weiterführendes Schulangebot im Sekundarbereich 1 beibehalten und ermöglichen, damit es keine Benachteiligung durch zu lange Anfahrtszeiten zu den weiterführenden Schulen gibt. Das Ganztagsschulangebot soll ausgebaut werden. Ein wichtiges Anliegen ist der SPD auch die Schaffung zusätzlicher Krippenplätze in den Gemeinden. Trotz großer Anstrengungen vor Ort gibt es immer noch quantitative und qualitative Lücken im Angebot.

Das Zukunftsprogramm geht auch detailliert auf zahlreiche sozialpolitische Fragen ein. Der SPD-Parteitag beschloss einen Antrag für eine verbesserte Inklusion. Menschen mit Behinderungen sollen nicht benachteiligt werden und brauchen Unterstützung.

In der Energiepolitik fordert die SPD zahlreiche Maßnahmen zur Förderung der Erneuerbaren Energien und die endgültige Stilllegung des Atomkraftwerks Krümmel. Die SPD-Bundestags-fraktion unterstützt die Forderung, dass nicht nur die sieben ältesten Atomkraftwerke dauerhaft vom Netz bleiben sollen, sondern auch der Pannenreaktor Krümmel.

Ein deutliches Zeichen setzte die Kreis-SPD gegen die CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS), bei der Kohlendioxid insbesondere aus Kohle und Gaskraftwerken in tiefe unterirdische Gesteinsschichten verpresst und auf unbegrenzte Zeit gelagert werden soll. Die Technik CCS führt zu einem erheblichen Mehrverbrauch von fossilen Energieträgern und noch nicht genau absehbaren Gefahren im Umkreis der CO2-Endlagerstätten. Auch im Landkreis Harburg werden mögliche Endlagerstandorte genannt.

Die verstärkte Biomassenutzung im Landkreis wird von der SPD an einigen Stellen kritisch gesehen, aber nicht grundsätzlich abgelehnt. Der Naturschutz und das Landschaftsbild müssen berücksichtigt werden; der Anbau von Biomasse dürfe nicht durch Überdüngung zu einer Gefährdung der Oberflächengewässer und des Grundwassers führen. Es gehe auch nicht an, dass Nahrungsmittel zur Wärme- oder Stromgewinnung eingesetzt würden, solange viele Millionen Menschen auf der Welt hungern würden, hieß es auf dem Parteitag.

Mit Sorge sieht die Kreis-SPD den Antrag der Hamburger Wasserwerke, zukünftig in der Heide über 16 Millionen Kubikmeter Wasser jährlich abzuzapfen. Der Schutz von Natur und Landschaft erfordert eine sorgfältige Prüfung des Antrages. Die bisherige Wasserentnahme hat schon heute negative Auswirkungen auf die Oberläufe der Este und der Schmalen Aue bei Hanstedt und an anderen Orten. Die SPD im Landkreis Harburg tritt entschieden dafür ein, dass die Fördermenge gesenkt wird und Hamburg langfristig Wasser einspart sowie darauf verzichtet, anderswohin eigenes Wasser zu verkaufen.

Ein heiß diskutiertes Thema war auch die geplante neuerliche Elbvertiefung. Anerkannt wurde, dass der Hamburger Hafen ein großer Arbeitgeber auch im Hamburger Umland ist. Auf der anderen Seite kann die Elbe kaum noch weiter vertieft werden. Die früheren Elbvertiefungen haben schon jetzt zu einem größeren Tidenhub und zu Schäden an den Deichen geführt, die bis jetzt noch nicht vollständig behoben sind. Die Auswirkungen einer erneuten Elbvertiefung werden unterschiedlich beurteilt. Für die SPD im Landkreis Harburg ist jedoch die Deichsicherheit das zentrale Thema, bei dem es keine Kompromisse geben darf. Die große Mehrheit der Delegierten stimmte daher nach umfangreicher Debatte einem Antrag zum Zukunftsprogramm zu, der die erneute Elbvertiefung ablehnt. Gleichwohl ist damit zu rechnen, dass die Elbvertiefung nach Abschluss des Planfeststellungsverfahrens und der Klärung naturschutzrechtlicher Fragestellungen mit der EU-Kommission umgesetzt wird.

Weiterhin wurden noch Anträge für einen verbesserten Tierschutz, weniger Tierversuche und verbesserte Verbandsklagerechte von Umwelt- und Tierschutzverbänden verabschiedet.

Außerhalb des Zukunftsprogramms fand ein Antrag der SPD-Arbeitsgemeinschaft 60 plus eine breite Mehrheit, wonach sich alle Mandatsträger/innen der SPD für die Gründung von Seniorenbeiräten einsetzen sollen.

Nach breiter und umfassender Debatte verabschiedete der Unterbezirksparteitag dann einstimmig das „Zukunftsprogramm Landkreis Harburg“.

Wahl des neuen Unterbezirksvorstands und der Delegierten

Dritter großer Schwerpunkt des Parteitags waren die Wahl des neuen Unterbezirksvorstands und der Delegierten. Die Wahlen fanden unter der Leitung des Winsener SPD-Bürgermeisterkandidaten Dr. Dieter Bender statt.

An der Spitze des Unterbezirks steht seit 1999 der Tostedter Klaus-Dieter Feindt. In seinem Rechenschaftsbericht ging Feindt auf die Herausforderungen der kommenden beiden Jahre ein. Am 11. September 2011 stehen die Kommunalwahlen in Niedersachsen an, Anfang 2013 die Landtagswahlen und im Herbst 2013 die nächsten Bundestagswahlen. Die SPD arbeitet im Moment intensiv daran, sich personell und inhaltlich für die Kommunalwahl gut aufzustellen. Mit dem „Zukunftsprogramm Landkreis Harburg“ legt die SPD für die Kreispolitik ihre politischen Vorstellung dar.

Mit einem überzeugenden Ergebnis von rund 85 %, 56 von 66 Stimmen, wurde Klaus-Dieter Feindt als Vorsitzender des Unterbezirks bestätigt. Anschließend waren zwei Stellvertretende Vorsitzende zu wählen. In einer Listenwahl wurden dann Andreas Rakowski (Seevetal) mit 44 Stimmen und Matthias Westermann (Winsen) mit 35 Stimmen gewählt. Der frühere Buchholzer Bürgermeister Norbert Stein (Buchholz) wurde mit 31 Stimmen zwar nicht als Stellvertretender Vorsitzender gewählt, erzielte aber anschließend bei der Wahl der Beisitzer ein gutes Ergebnis. Die Finanzverantwortliche Anneliese Scheppelmann (Neu Wulmstorf) wurde mit dem Traumergebnis von 69 Ja-Stimmen bei nur 1 Nein-Stimme wiedergewählt. Als Schriftführerin wurde Kristina Schneider (Stelle) ebenfalls mit dem überragenden Ergebnis von 69 Ja-Stimmen ohne Gegenstimme im Amt bestätigt. Als Beisitzer wiedergewählt wurden in einer Listenwahl Jens Feldhusen (Seevetal, 45 Stimmen), Regina Lutz (Rosengarten, 61 Stimmen) und Christine Wüst-Buri (Tostedt, 56 Stimmen). Neu als Beisitzer/innen im Vorstand sind Hella Hinsch (Garlstorf, 50 Stimmen), Lutz Hinze (Neu Wulmstorf, 53 Stimmen), Norbert Rath (Winsen, 43 Stimmen) und Norbert Stein (Buchholz, 47 Stimmen).

Der UB-Vorsitzende Klaus-Dieter Feindt dankte der früheren Stellvertretenden Vorsitzenden und früheren Bundestagsabgeordneten Monika Griefahn für Ihre langjährige, aktive und engagierte Arbeit im Vorstand. Ein Dank ging weiterhin an Sabine Brosowski (Elbmarsch), Peter Dietrich (Asendorf) und Benjamin Qualmann (Winsen), die nicht wieder für den Vorstand kandidiert hatten.

Weiterhin wählte der Parteitag Delegierte für Bezirks-, Landes- und Bundesparteitage, für Bezirksbeirat und Landesparteirat, und unterbreitete Personalvorschläge für den Bezirksvorstand. Delegierte auf dem Bundesparteitag soll Kristina Schneider (Stelle) sein, Beisitzer im Bezirks¬vorstand Andreas Rakowski (Seevetal).

Die SPD blickt auf einen erfolgreichen Parteitag zurück und sieht sich mit der Verabschiedung des Zukunftsprogramms Landkreis Harburg und dem neu gewählten Unterbezirksvorstand für den Kommunalwahlkampf und darüber hinaus gut aufgestellt.

Der neu gewählte Unterbezirksvorstand in der Winsener Stadthalle
Der neu gewählte Unterbezirksvorstand in der Winsener Stadthalle