„Wir wollen die ärztliche Beihilfe zum Suizid unter Berücksichtigung eines starken Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient rechtlich absichern“, so Dr. Carola Reimann, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, zum von ihr und weiteren Parlamentariern verfassten Papier zum Umgang mit der Sterbehilfe.

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Das Thema lockte viele Interessierte in die Dörpschün.

Auf Einladung von Parteikollegin Svenja Stadler diskutierte Reimann jetzt vor rund 60 Zuhörern in der Salzhäuser Dörpschün mit Prof. Dr. Ingrid Schneider, Politologin an der Uni Hamburg, dem Ärztlichen Direktor des Krankenhauses Buchholz, Dr. Christian Pott, und Christian Berndt, Superintendent des Kirchenkreises Winsen über die Hilfe im und zum Sterben. „Der assistierte Suizid durch den Arzt soll rechtlich möglich sein, aber die Ausnahme bleiben“, machte Reimann deutlich.

Die Grenze zur aktiven Sterbehilfe, die Carola Reimann kategorisch ausschließt, sei aber nur eine Nuance, gab Prof. Dr. Ingrid Schneider zu bedenken. „Ich habe die Befürchtung, dass jemand sagt, ‚Das hätte doch heutzutage nicht mehr sein müssen‘, wenn er einen schwerstkranken Menschen vor sich sieht“, so Schneider. So wie es Müttern eines Kindes mit Down-Syndrom inzwischen häufig ergeht. „Da landen wir ganz schnell in der äußerst heiklen gesellschaftlichen Diskussion über lebenswertes und lebensunwertes Leben.“ Wir wollten zwar alle alt werden, aber nicht alt sein. Die Begriffe Selbstbestimmung und Würde in der Debatte um die Sterbehilfe kaschierten eher die eigentlichen Ängste vor Einsamkeit, Kontrollverlust und Abhängigkeit. „Mit der Abwertung von Krankheit und Alter steigt aber der soziale Erwartungsdruck, ärztliche Beihilfe zum Suizid in Anspruch zu nehmen“, sagte die Politikwissenschaftlerin.

Den eher kritisch-pessimistischen Ansatz Schneiders konnte Dr. Christian Pott nicht teilen. „Unsere Fragen im medizinischen Alltag sind sicher schwer juristisch zu fassen und zu lösen, sie spiegeln oft große menschliche Not wider und sind ja auch immer sehr auf die spezielle, individuelle Situation bezogen. Trotzdem brauchen wir für Ärzte auch eine gute juristische Definition der unterschiedlichen Handlungen am Lebensende und Rechtssicherheit für unser Handeln“, so Pott. „Als Arzt möchte ich im Gespräch mit den Patienten ergründen, was ihre jeweiligen Wünsche und Erwartungen sind und ihnen dann möglichst gut gerecht werden.“ Er sehe täglich, dass Patienten konkrete Hilfe benötigten, um autonome Lebensentscheidungen treffen und umsetzen zu können.

Allzu viele Reglementierungen in der Sache hält Superintendent Christian Berndt für problematisch. „Das Sterben gehört nun einmal zum Leben.“ Der Raum für individuelle Entscheidungen und Verantwortung zwischen Arzt und Patient sollte nicht durch ein Gesetz verkleinert werden. Berndt warb in diesem Zusammenhang auch für die Stärkung palliativer Dienste und Angebote. „Es gibt Bereiche, die wir vertrauensvoll den Ärzten und Seelsorgern überlassen sollten.“

„Wir befinden uns immer noch am Anfang dieser Diskussion“, resümierte Svenja Stadler. Einige verschiedenartige Anträge werden dem Bundestag zum Thema Sterbehilfe vorgelegt werden. Der Gruppenantrag, an dem Dr. Carola Reimann mitarbeitet, wird einen Fokus auf den Wunsch des Patienten legen und auf die vertrauensstarke Beratung durch die betreuenden Ärzte. „Um eines abschließend klarzustellen“, sagte Reimann in Salzhausen, „es geht uns in keinem Fall darum, Ärzten das Recht zu erteilen, über Leben und Tod zu entscheiden.“