Der Stadtrat befasste sich in seiner Sitzung am 10.12.2015 mit dem Haushalt für das Jahr 2016. Dazu im Folgenden die Rede des Fraktionsvorsitzenden der SPD, Benjamin Qualmann, im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Wiese,

sehr geehrter Herr Ratsvorsitzender Schröder,

sehr geehrte Damen und Herren,

die Haushaltslage war zu Beginn der Beratungen auch in diesem Jahr erneut sehr angespannt. Auf dieser Basis war und ist es unsere Aufgabe und Verantwortung, klare Schwerpunkte und Prioritäten im Sinne der Stadtentwicklung zu setzen. Diesen Maßstab haben wir als SPD auch in diesem Jahr als Grundlage angesetzt.

Mit unseren Anträgen greifen wir somit für den Haushalt 2016 erneut einige wichtige Handlungsfelder auf. Handlungsfelder, die für die Entwicklung unserer Stadt von zentraler Bedeutung sind. Neben diesen inhaltlichen Anträgen haben wir auch als einzige Fraktion gezielte Einsparmöglichkeiten in die Diskussion eingebracht.

Das erste Handlungsfeld betrifft den Lebensraum Wohnen in Winsen (Luhe) – Wohnraummangel entgegenwirken

Winsen ist im Jahr 2015 durchaus ein attraktiver Wohnort. Mit Blick in die unmittelbare Zukunft ist das jedoch keinesfalls sichergestellt und keinesfalls selbstverständlich. So warnt die neueste Wohnungsmarktanalyse des Pestel-Instituts eindringlich vor einer „handfesten Wohnungskrise“. Aus unserer Sicht kommt diese Warnung fast schon zu spät. Denn im Landkreis Harburg fehlen bereits jetzt 1170 zusätzliche Wohnungen! Es fehlen dabei vor allem bezahlbare aber auch Sozialwohnungen. Also vier Wände für die Menschen, die sich teure Wohnungen in der Regel nicht leisten können: Rentner, Alleinerziehende, junge Menschen in der Ausbildung, einkommensschwache Haushalte und eben auch Flüchtlinge mit Aufenthaltsstatus.

Auf Kreisebene wird seit einiger Zeit über eine Wohnungsbaugesellschaft gesprochen. Viele Bürgermeister haben sich bereits dafür ausgesprochen, dieses Projekt zu unterstützen. So auch der Winsener Bürgermeister. Unser Antrag, den wir gemeinsam mit der Fraktion Grüne/Linke gestellt haben, zielt genau darauf ab. Im Übrigen: ich gehe davon aus, dass sie, sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrter Herr Bock, den Antrag nicht richtig gelesen haben. Denn dann hätten sie erkannt, dass es uns keinesfalls um einen Winsener Alleingang geht. Ganz im Gegenteil. Wir wollen 5 Mio. Euro in den Haushalt einstellen, damit Winsen vorbereitet ist und sich als Kreisstadt angemessen an einer Wohnungsbaugesellschaft auf Kreisebene beteiligen kann. Durch ein zinsgünstiges Darlehen aus dem städtischen Abwasserhaushalt sowie den zahlreichen Förderprogrammen müssen wir uns als Stadt nicht einmal weiter verschulden, sondern schaffen im Gegenteil neue Werte und Mieteinnahmen.

Damit auch die Investoren der städtischen Baugebiete diesen Weg mitgehen, wollen wir in jedem neuen Baugebiet der Stadt 20% der Fläche für sozial verträglichen Wohnungsbau vorsehen. So erreichen wir eine gute Mischung der verschiedenen Wohnformen in unserer Stadt.

Die konservative Mehrheit des Rates spricht sich zwar auf den ersten Blick auch irgendwie für den Wohnungsbau aus. Auf den zweiten Blick sieht das dann aber ganz anders aus: Finanzielle Mittel einstellen wollen sie nicht. Das, meine Damen und Herren von der CDU ist aus unserer Sicht somit nur leeres Geschwätz. Sie wollen es einfach nicht.

Meine Damen und Herren, es wird aber Zeit, dass wir uns als Rat der Stadt dem Thema Wohnen endlich ernsthaft annehmen. Unsere Anträge dazu wurden in den vergangenen zwei Jahren wiederholt abgelehnt. Das sind aus unserer Sicht zwei vergeudete Jahre. Wir könnten längst die Weichen gestellt und einiges an bezahlbarem Wohnraum geschafft haben. Andere Kommunen wie Jesteburg, Buchholz oder Lüneburg haben sich in unterschiedlicher Weise bereits auf den Weg gemacht. Bspw. baut Jesteburg im kommenden Jahr 35 bezahlbare Wohnungen, Lüneburg bis zum Jahr 2021 sogar 2100. Wenn wir nicht handeln verpasst Winsen hier deutlich den Anschluss. Lassen sie uns das verhindern, stimmen sie unserem Antrag zu! Zumal jetzt bekannt wurde, dass im Kreis zu Beginn des Jahres erste Pflöcke eingeschlagen werden. Im Übrigen Herr Bock: Mit Wahlkampf hat das nichts zu tun, es ist eine Notwendigkeit!

Handlungsfeld zwei sind die Flüchtlinge in Winsen – unter den Stichworten Perspektiven schaffen, Ehrenamtliche unterstützen

Die Stadtgesellschaft verändert sich. Durch die zahlreichen Kriege in der Welt müssen viele Menschen ihre Heimat verlassen und suchen einen sicheren Zufluchtsort. Einige von ihnen werden nicht in ihre Herkunftsländer zurückgehen, sondern bei uns bleiben. Das bereichert uns als Stadtgesellschaft, bringt aber auch neue Herausforderungen mit sich. Wir als Stadt Winsen müssen dafür sorgen, dass die Menschen bei uns integriert und so Teil der Stadtgesellschaft werden. Denn sobald ein anerkannter Aufenthaltsstatus vorliegt, ist anstatt des Landkreises die Stadt selbst in der Verantwortung.

Bisher haben insbesondere der evangelische Kirchenkreis Winsen sowie die vielen Ehrenamtlichen dafür gesorgt, dass es eine Anlaufstelle in Winsen gibt. Die Kirche als auch die Ehrenamtlichen tragen deshalb im Wesentlichen zur positiven Grundstimmung in der Winsener Stadtgesellschaft bei. Ihnen gehört deshalb der ausdrückliche Dank für die gute Arbeit und Unterstützung!

Wir können die Ehrenamtlichen aber nicht allein lassen. Die Stadt Winsen muss sich stärker einbringen, als sie das bisher getan hat. Sie muss als Kommune die Koordination der verschiedenen Institutionen im Stadtgebiet, wie Kirche, AWO, Resofabrik, Herbergsverein und Ehrenamtliche, leisten. Nur so ist gewährleistet, dass alle Beteiligten gemeinsam und strukturiert Lösungen für die auftretenden und noch zu erwartenden Probleme entwickeln und die Integration der Menschen in die Stadtgesellschaft gelingt.

Ein Koordinator vernetzt die einzelnen Institutionen sowie die Ehrenamtlichen. Er ist die erste Anlaufstelle in der Stadt, ist Ansprechpartner sowohl für die Institutionen als auch für die Ehrenamtlichen, er hält Kontakt in die Unterkünfte und erfährt so die Bedarfe der Menschen. Als städtische Schnittstelle ist er perfekt vernetzt und kann bei allen Fragen und Problemen zuverlässig die richtigen Schritte einleiten oder Türen öffnen. Die Stadt muss sich hier ihrer Verantwortung stellen. Viele andere Kommunen haben diesen Schritt bereits getan.

Der Verlauf der Beratungen hat gezeigt, dass der Bürgermeister keinen Koordinator möchte. Das Thema wird stattdessen dem Familienbüro aufgesetzt und es soll in der Verwaltung weiterhin diverse Ansprechpartner geben. Als Vorwand wird aufgeführt, dass man Doppelstrukturen vermeiden wolle. Aus unserer Sicht ist genau das Gegenteil der Fall. Anstatt sich an einen

Ansprechpartner zu wenden, muss man suchen, sich von einem zum anderen Durchfragen, diverse Personen werden mit ins Boot geholt, Zeit geht verloren und am Ende ist die Irritation groß und viel Wasser die Luhe runtergeflossen.

Ein fester Ansprechpartner für Alle, also ein Koordinator, hätte direkt weiterhelfen können. Deshalb ist dieser das Kernstück unseres Antrags.

Als drittes Handlungsfeld haben wir uns die Finanzen der Stadt angeschaut.

Durch den erneuten Ansatz von Streichen, Strecken, Schieben können auch im Haushalt 2016 diverse finanzielle Mittel freigesetzt werden. Leider sind wir die einzige Fraktion, die sich hier näher mit beschäftigt hat. Unser Ansatz sieht vor, insgesamt 356.500 Euro freizusetzen. Einige Haushaltsstellen können aus unserer Sicht durch andere Budgets finanziert, andere können in das nächste Jahr verschoben werden.

Unser Antrag Gesellschaftsbudget bündelt zudem Ausgaben von gesellschaftlichem Interesse. Viele Institutionen bekommen für ihre Arbeit einen freiwilligen Zuschuss der Stadt. Durch das Gesellschaftsbudget erhalten die Ehrenamtlichen, Organisatoren und Mitglieder eine verlässliche Planungssicherheit. Nach Vorlage eines Antrags mit dem notwendigen Kostennachweis vergibt die Verwaltung die im Haushalt zur Verfügung stehenden Mittel an die Institutionen.

Für das Haushaltsjahr 2016 soll lt. Verwaltung auch die Haushaltsstelle „Seniorenkaffeefahrten und Weihnachtsfeiern“ trotz der angespannten Haushaltslage von 30.000 Euro auf 40.000 Euro aufgestockt werden.

Hierbei handelt es sich um eine freiwillige Leistung der Stadt Winsen. Die Fahrten werden für die Teilnehmer gänzlich kostenfrei angeboten und durchgeführt. Auf der anderen Seite sollen zweckgebundene Mittel wie die Kita-Gebühren erneut deutlich angehoben werden. Das passt aus unserer Sicht nicht zusammen – auch die freiwilligen Leistungen müssen mit Augenmaß überprüft werden.

Das Gesellschaftsbudget beinhaltet zukünftig auch die Kaffeefahrten. Jeder Teilnehmer erhält einen Zuschuss aus Steuermitteln in Höhe von 12,50 Euro. Das ergibt bei der für 2016 kalkulierten Teilnehmerzahl von 1300 Personen eine Gesamtsumme in Höhe von 16.250 Euro. Ein kleiner Eigenanteil der Teilnehmer an der Ausfahrt ist aus unserer Sicht durchaus zumutbar. Der Bürgermeister argumentiert, dass dieses Verfahren nicht durchführbar sei. Wir verstehen das, denn schließlich lehnen er und die CDU den Antrag ab und müssen ein Argument dafür finden. Aber: Sagen sie doch einfach öffentlich das wirkliche Argument, sehr geehrter Herr Bürgermeister, nämlich dass sie den Antrag ablehnen, um einen wichtigen Wählerkreis nicht zu verärgern. Das wäre dann zumindest ehrlich und wurde im Ausschuss für Generationen, Sport und Soziales aus der CDU-Fraktion heraus bereits so kundgetan.

Wie werden die Haushaltsberatungen nun weiter verlaufen?

Die Richtung der Beratungen wurde deutlich vorgezeichnet. In den Fachausschüssen wurden alle zuvor genannten Anträge von CDU und Winsener Liste abgelehnt. Lediglich unser Antrag zur Sanierung der Toilettenanlagen in den Gärtnerfantasien bekam eine Mehrheit.

Das bedeutet, dass dem Haushalt auch in diesem Jahr im Kern die sozialdemokratische Handschrift fehlt. Es gibt weiterhin keinen Fortschritt im Wohnungsbau, keinen Koordinator rund um das Thema Flüchtlinge und keinerlei Bereitschaft, auch den Haushalt kritisch zu durchleuchten. Zusätzlich werden erneut die Beiträge der Kinderbetreuung erhöht. Neben der bereits beschlossenen „Ganztagsschule light“, wo sie, sehr geehrte Damen und Herren der CDU, den Freitag zum neuen Sonntag gemacht haben, ein weiterer Schlag gegen die Eltern. Erlauben sie mir die Frage: Sind wir so wirklich die Familienstadt Winsen?

Für die SPD-Fraktion bedeuten die Ergebnisse der bisherigen Beratungen, dass wir diesen Haushalt aus logischer Konsequenz ablehnen werden.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.