Der Stadtrat befasste sich in seiner Sitzung am 18.12.2018 mit dem Haushalt für das Jahr 2019. Dazu im Folgenden die Rede des Fraktionsvorsitzenden der SPD, Benjamin Qualmann, im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Wiese, sehr geehrter Herr Ratsvorsitzender Waldau, sehr geehrte Damen und Herren,

wie immer ist die Zeit zum Jahresende die Zeit der Haushaltsberatungen und damit der wichtigste Zeitpunkt, die Zukunft und Entwicklung unserer Stadt zu bestimmen. Leider sehen der Bürgermeister und seine CDU-Mehrheit diese Chance eben nicht, wie uns das unsägliche Geschacher um die Hundesteuer, was wir gerade eben ertragen mussten, ganz deutlich zeigen. Wenn die Ratsmehrheit das Abschaffen oder Reduzieren dieser Steuer als „das“ wesentliche Problem identifiziert, fällt mir dazu nicht mehr viel ein.

Doch schauen wir auf die Schwerpunkte der SPD zum Haushalt, bei denen Sie, Herr Bock, wohl bisher nicht zugehört haben:

1.Wohnen in Winsen: Ich habe bereits vor einem Jahr an gleicher Stelle darauf hingewiesen, dass uns die Beteiligung an der Kreiswohnungsbaugesellschaft allein nicht reichen darf, da bezahlbarer Wohnraum in Winsen trotzdem knapp bleibt. Es werden schließlich innerhalb von fünf Jahren lediglich 150 Wohnungen durch die Gesellschaft in Winsen geschaffen. Auch deshalb brauchen wir eine genau definierte und vom Stadtrat verabschiedete Strategie für den Wohnungsbau und neue Wege, die unser Handlungsspektrum erweitern: Das Erbbaurecht als strategische Chance zu nutzen, ist eine Möglichkeit, gegen den Mangel am Winsener Wohnungsmarkt zu steuern. Drei wesentliche Vorteile würden entstehen:

Erstens: Die kommunale Wohnungsbaugesellschaft des Landkreises kann wirkungsvoll in ihrer Aufgabenstellung zur Förderung des bezahlbaren Wohnraums in der Kreisstadt Winsen unterstützt werden.

Zweitens: Einkommensschwächeren oder kinderstarken Haushalten wird die Möglichkeit zum Erwerb eines Eigenheims gegeben, da beim Bau oder Kauf eines Hauses auf einem Erbbau-Grundstück der Grundstückspreis nicht mitfinanziert werden muss.

Und Drittens: Das Erbbaurecht ermöglicht künftig neue Wege und Umsetzungsmodelle auch in Eigenregie der Stadt oder durch Dritte, wie bspw. Genossenschaften.

Klar ist: Das Erbbaurecht ist nicht für jede Kommune geeignet. Hat man es jedoch wie in Winsen mit hohen Bodenpreisen zu tun und will man wirklich dagegenwirken und auch bezahlbaren Wohnraum anbieten, kann das Instrument Erbbaurecht wohnungspolitisch von Interesse sein. Deshalb gilt es, hier die Weichen entsprechend zu stellen.

2. Digitale Stadt: Der Spiegel hat in seiner Ausgabe Nr. 48 vom 24.11.2018 im Artikel „Im Ja-aber-Land“ berichtet, dass Deutschland in einer EU-Rangliste, die den Digitalisierungsstand der Verwaltung misst, nur auf Rang 21 von 28 liegt. Als Grund dafür wird insbesondere die Scheu von Risiken in Verwaltungen und die oft vermutete Komplexität genannt.

Diese Skepsis bröckelt zum Glück langsam, da sich viele Kommunen entsprechendes Know-how in die Verwaltungen holen. Deshalb haben wir beantragt, dass auch in Winsen die Stelle eines Digital Officers geschaffen wird. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Bürgermeister vor Kurzem signalisiert hat, dass die Digitalisierung der Stadt vorangebracht werden soll.

Digitalisierung passiert nämlich nicht einfach so. Sie ist ein laufender Prozess und kein Projekt. Die Stadt und alle ihre Akteure sind gemeinsam in der Gestaltungsverantwortung. Nur so kann das riesige Potenzial sinnvoll und wirtschaftlich genutzt werden. Der Digital Officer ist dabei die Schnittstelle von Politik, Verwaltung, Bürgerinnen und Bürgern und der Wirtschaft. Ziel ist dabei die Lebens- und Standortqualität, den Bürgerservice in der Verwaltung und die Wirtschaftlichkeit des kommunalen Handelns für die Winsener Bürgerinnen und Bürger nachhaltig zu verbessern.

Gute Arbeit in Winsen wird auch davon abhängig sein, ob und wie kleinere Handels- und auch Handwerksunternehmen den digitalen Wandel erfolgreich meistern.

Der Stadtrat sollte sich genau anschauen, wie papierlastig die Verwaltung insbesondere an der Spitze arbeitet, und welche „Kleckeranträge“ die CDU zum Thema stellt. Hier ist Handeln auf dem Fundament der kommunalen Digitalisierung dringend erforderlich und es ist neues Know-how gefragt. Dann kann die Kreisstadt Winsen mit der Expertise eines Digital Officers Vorbild bei der Digitalisierung im Landkreis Harburg und in der südlichen Metropolregion werden. Sehr geehrte Damen und Herren, wir müssen sich nur trauen.

3. Ganztag und Ferienbetreuung: Durch die überstürzte Abschaffung der Horte stellen CDU und Bürgermeister Wiese viele Eltern, die sich auf den viel gepriesenen Slogan „Familienfreundliche Stadt“ verlassen haben, vor große Probleme. Der Bürgermeister wird dabei nicht müde, immer wieder darauf hinzuweisen, dass die Ausgestaltung der Ganztagsschulen Landesangelegenheit und somit vom Land Niedersachsen zu verantworten sei. Er verschweigt aber, dass die Probleme erst durch den Beschluss der CDU-Mehrheit des Rates entstanden sind. Denn anstatt einen geordneten Übergang in Abstimmung mit den Eltern aufzustellen, hat man ohne Dialog direkt Fakten geschaffen.

Für uns stand immer fest, dass es nur eine Abschaffung der Horte gegen kann, wenn die Ganztagsgrundschulen an deren Niveau angehoben werden. Deshalb haben wir gemeinsam mit der Gruppe Grüne/Linke beantragt, die Ausstattung der Ganztagsgrundschulen so zu verbessern, dass in den Ganztagsgrundschulen eine den Horten vergleichbare, qualifizierte Bildungs- und Erziehungsarbeit stattfinden kann und die Ganztagsgrundschulen den Beitrag für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf leisten, den bisher die Horte erfüllt haben. Das gilt auch für die Ferienbetreuung. Das Vorbild dazu muss man nicht lange suchen, denn Seevetal macht es uns in Hittfeld und Meckelfeld vor.

Nun hat die CDU gemeinsam mit der FDP beantragt, erst mal eine Befragung durchzuführen. Sehr geehrte Damen und Herren, eine Befragung zum Bedarf kann angesichts der 100-prozentigen Auslastung von 280 Hortplätzen in der Vergangenheit sowie der ständig steigenden Nachfrage nach Ganztagsplätzen im Krippen- und Kitabereich nur als Versuch bewertet werden, die Ansprüche der Eltern nicht ernst zu nehmen. Bedenkt man dabei die Aussage aus der CDU, im Ausschuss für Schulen und Kindertagesstätten hätte unser Antrag ja nur eine Mehrheit bekommen, weil Eltern und Lehrer mitgestimmt haben, ist das freundlich gesagt an Arroganz kaum noch zu überbieten. Wer hier nun Gestaltungswillen zeigt, lieber Herr Bock, ist glaube ich eindeutig. Sie sind es jedenfalls nicht.

An anderer Stelle Gelder hat der Rat keine Schwierigkeiten, Gelder bereitzustellen.

  • So bspw. jährlich 50.000 Euro für den sog. Amazon-Busverkehr, obwohl der Landkreis derzeit prüft, ob es sich um eine verbotene Beihilfe handelt. Und mal ehrlich: Einen Bus als ÖPNV-Errungenschaft für die Bürger Winsens zu preisen, der vom Bahnhof Ashausen über die Autobahn zu Amazon fährt, nimmt Ihnen sehr geehrter Herr Bürgermeister Wiese doch niemand ernsthaft ab.
  • Auch wurden ohne mit der Wimper zu zucken insgesamt 1,2 Millionen Euro, verteilt auf die kommenden fünf Jahre, für Projektsteuerungskosten der Ortsumfahrung Luhdorf-Pattensen eingestellt. Für die Planung einer Straße, die mit großer Wahrscheinlichkeit nie kommen wird. Warum nicht? Weil der Landkreis die Planung jetzt schon nicht mit hoher Priorität verfolgt und sich voraussichtlich auch nicht an den Kosten von weit mehr als 30 Millionen Euro beteiligen wird. Woher soll das Geld also kommen? Hier streuen Sie, sehr geehrte Damen und Herren der CDU und Sie, sehr geehrter Herr Bürgermeister Wiese, den Bürgern in Luhdorf und Pattensen Sand in die Augen.

Fazit für heute Abend: Alle Anträge, die wir mit Blick auf Winsens Zukunft und Entwicklung gestellt haben, mit Blick auf die Gestaltung unserer Stadt, wurden in den bisherigen Beratungen abgelehnt. Da wir von diesem Rat auch heute keine anderen Beschlüsse erwarten, werden wichtige Themen für die Stadtentwicklung nicht weiterverfolgt. Ich sage deshalb in aller Deutlichkeit: Wir können als Kreisstadt nicht immer warten und aussitzen, bis es uns andere wie bspw. Buchholz vorgemacht haben. Diesen Haushalt lehnen wir deshalb heute Abend in seiner Gesamtheit ab. Kontinuität beim Stillstand tragen wir nicht mit.

Gestatten Sie mir noch eine Anmerkung: Aus meiner Sicht verhindern Sie, Herr Bürgermeister Wiese, an wichtigen Ecken die Entwicklung der Stadt, treffen Entscheidungen anhand von veralteten Erkenntnissen – ich erinnere bspw. an die Diskussion um Autos in Einkaufsstraßen - und veranstalten stattdessen Blendwerk, wie mit der Diskussion um die Hundesteuer zuvor gesehen.

Sehr geehrte Damen und Herren, es ist wirklich an der Zeit für einen Wechsel im Bürgermeisteramt. Damit wir bei den Haushaltsberatungen im nächsten Jahr neuen frischen Wind an unserer Rathausspitze haben.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.