PRESSEMITTEILUNG

Viele Jahre sind ins Land gegangen, seit den ersten Neu Wulmstorfer Planungen für eine „Waldsiedlung“ auf einem 14,5 ha großen Teilstück von insgesamt 230 ha des ehemaligen Standortübungsplatzes in der Fischbeker Heide. Der Verkauf durch die BImA (Bundesanstalt für Immobilienaufgaben) sollte für dieses Teilstück zu marktüblichen Preisen erfolgen, der Rest zu einem erschwinglichen Preis für die Gemeinde abgegeben werden.

Die Gemeinde beschloss 2005 das Konzept und vereinbarte 2007 mit dem Bund den sogenannten Masterplan, in dem die Planung einer „Waldsiedlung“ vorgesehen war. Auch deshalb war es möglich, den größten Teil der Naturschutzstiftung kostenfrei zur Verfügung stellen zu können.

Begleitet von Protesten aus der Bürgerschaft und Einwänden des B.U.N.D. wurde ein städtebaulicher Vertrag geschlossen. Die SPD hat sich aufgrund der damaligen Konstellation und dem Gewinn eines noch viel größeren Naturgebietes stets zu ihrem Wort bekannt und hinter den Planungen gestanden.

Jahrelang wurde das Gelände nur von Spaziergängern und Freizeitsportlern genutzt. Flora und Fauna der vorhandenen Natur und vormals bereits vorgenommene Anpflanzungen des Geländes konnten sich über die Jahre entwickeln, so dass wir heute an diesem Standort ein sehr wertvolles natürlich entwickeltes Areal vorfinden, das einer „Siedlung“ weichen müsste. Anlässlich einer gemeinsamen Begehung im August 2016 mit Mitgliedern des B.U.N.D., Bürgern und Politikern verschiedener Parteien haben SPD-Mitglieder bereits erfahren können, welch ein wertvolles natürlich gewachsenes Naturareal die Planungsfläche inzwischen darstellt. Gebunden an Verträge, aber mit der Ahnung einer veränderten Darstellung der Situation vor Ort, hat die SPD unter ihrem Fraktionsvorsitzenden Tobias Handtke ihre Entscheidung über weitere Verfahren davon abhängig gemacht, welche Erkenntnisse, die bis dahin noch ausstehenden Gutachten bringen würden und das auch genauso kommuniziert.

Erst seit Ende April 2018, also 13 Jahre nach dem ersten Konzept, Masterplan und Städtebaulichem Vertrag, liegen der Gemeinde jetzt Gutachten zur Fauna und Flora vor. Aus der Zusammenfassung der Ergebnisse in einem Fachbeitrag zur Eingriffsregelung geht eindeutig hervor, dass es sich um eklatante Veränderungen im Gebiet handelt. Dazu folgendes Zitat aus dem Bericht: „Die Umsetzung des Bebauungsplanes zieht eine Veränderung der Gestalt und Nutzung von Grundflächen nach sich, die die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes und das Landschaftsbild nachhaltig beeinträchtigt. Dies umfasst die Bebauung von Flächen in einem bisher unbebauten Außenbereich sowie die Versiegelung von Flächen. Weiterhin werden ca. 9,40 ha Wald in eine andere Nutzungsform umgewandelt.“

Im Weiteren wird deutlich, dass in dem Gebiet 7 Amphibienarten leben und 3 Reptilienarten, davon 3, die bereits in der Roten Liste stehen. Insgesamt sind Bewegungen von 50.000 Amphibien im Erschließungsraum zu verzeichnen. Ebenso befinden sich im Gebiet Fledermäuse, darunter 2 Arten, die auf der Liste der gefährdeten Arten stehen, etwa 35 Brutvogelarten sowie mehrere bereits vergrämte Uhupaare, die erheblichen Raum einbüßen würden sowie geschützte Ameisenvölker, die versetzt werden müssten.

Im Plangebiet sind auf 60 Grundstücken von 870 – 2.500 m² Größe Einzelhäuser mit einer max. Grundfläche von 250 m² vorgesehen. Es ist vom Erhalt eines Waldsaums und Waldbeständen auf den Grundstücken die Rede. Inwieweit das zu realisieren ist, nach umfangreichen Erschließungsarbeiten, Bodenangleichungen und Bauaktivitäten, sei dahingestellt.

Für die „Entnahme“ der Natur zugunsten der Bebauung sind sehr umfangreiche waldrechtliche Kompensationsmaßnahmen erforderlich. Dafür vorgesehen, sind 2 Brachflächen von gesamt 9,4 ha im südlichen Umfeld von Tostedt, die nach ganz exakten Plänen komplett neu anzupflanzen und aufzuforsten sind. Zusätzlich wären weitere waldrechtliche Maßnahmen auf 11,28 ha im anliegenden Gebiet des geplanten Baugebietes durchzuführen. Hierzu soll auch die Entwicklung von Totholzbeständen und lichtem Mischwaldbestand gehören. Diese umfangreichen Ausgleichsmaßnahmen zeigen, welch ein wertvolles Stück Natur hier für die „Waldsiedlung“ zur Diskussion steht.

Auch geplante umfangreiche Maßnahmen zur Umleitung der wandernden Amphibien und der Handhabe auf den Grundstücken, Wiederansiedlungen von Federmäusen und Bruthilfen für Vögel zeigen, was an Natur zerstört wird und künstlich wieder geschaffen werden soll. Wer garantiert den Erhalt und den Schutz der Tiere und des Waldes? Wer übernimmt die Folgeinvestitionen, aber vor allem die Kontrolle der Anlagen? Wer garantiert die dauerhafte Sicherung und Einhaltung der hohen tierschutzrechtlichen Handhabungen? Wer garantiert, dass dieses gewachsene Biotop und seine Umgebung durch diese umfangreichen Baumaßnahmen, die Zerstörung der natürlichen Gegebenheiten und den Druck auf die Umgebung durch Verkehr, Menschen und Haustiere am Ende nicht völlig brach liegen werden?

Müssen wir uns nicht die Sinnfrage stellen, wenn wir für ein Wohngebiet für 60 Grundstücke ein Amphibienleitsystem bauen müssen, das 900m lang ist, eine 40 cm hohe Betonwand darstellt, mit Grünstreifen vor und dahinter, um tausende Kröten vom Wohngebiet abzuhalten?

All diese Argumente sind nun keine Vermutungen oder Spekulationen mehr, sondern sind durch die eingebrachten Gutachten der Planer nun schwarz auf weiß bestätigt. Die Mitglieder der SPD Ratsfraktion haben auf der Basis dieser neuen Erkenntnisse neu beraten und sind einstimmig zu dem Entschluss gekommen, das Projekt „Waldsiedlung“ nicht weiter mittragen zu können. Vor und zu Beginn der Sitzung des Ausschusses Bau, Planung und Umwelt am 8. Mai wurde diese Entscheidung den Mitgliedern durch Tobias Handtke mitgeteilt. Den in der Sitzung von Planern und CDU in den Raum geworfenen Vorwurf eines „Vertrauensmissbrauchs“ gegenüber den Investoren weist die SPD definitiv zurück.

„Das würde ja bedeuten, unsere Beteiligung als Politik wäre nur noch Kulisse. Die Hand dürfen wir heben, aber nur noch um Erfüllungsgehilfe zu sein und es so hinzubiegen, dass es irgendwie funktioniert und kein Schaden für die Investoren entsteht? Partnerschaft definieren wir definitiv anders!“ macht Tobias Handtke deutlich. Es ist aus seiner Sicht eine Frage der Fairness den Partnern rechtzeitig zu signalisieren, wenn die Zustimmung zu dem Projekt nicht mehr mitzutragen ist.

Politik ist verantwortlich gegenüber ihrer Gemeinde und ihren Bürgern und muss fair mit ihren Partnern umgehen. Auch wenn dieses Bauprojekt machbar wäre oder ist, fast alles ist machbar, rechtfertigen doch die erheblichen Eingriffe und erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen nicht die Entnahme dieser wertvollen Natur um jeden Preis. Die SPD hat immer auf die ausstehenden fachlichen Gutachten verwiesen und ihre endgültige Entscheidung von diesen abhängig gemacht. „Eine Entscheidung nach Vorlage belastbarer Argumente ist und war unsere Haltung und Aussage an alle Beteiligten. An diesem Punkt ist das Verfahren jetzt angelangt. Und die Konsequenz aus den vorgelegten Gutachten und Erkenntnissen lautet für die SPD Gemeinderatsfraktion: Keine „Waldsiedlung“ auf dem Naturgelände des ehemaligen Standortübungsplatzes. wir werden deshalb eine abschließende Planung oder Weiterverfolgung dieses Projektes nicht unterstützen“, erklärt Thomas Grambow, Vorsitzender des Ausschusses für Bau-, Planung- und Umwelt.

Wer sich bereits vor dem Vorliegen der Gutachten für die Weiterentwicklung der „Waldsiedlung“ entschieden hat, sollte sich auch seiner Verantwortungen für die Gemeinde, ihre Bürger und die Natur bewusst sein und jetzt nicht die Verantwortung anderen zuschieben.

„Wir stehen zu unserer Entscheidung. Aber natürlich ist nicht alles, was richtig war, nun verkehrt und alles, was verkehrt war, nun richtig. Die Planung der Waldsiedlung war richtig, weil sie Teil des Masterplans war. Die schwierigen Umstände waren aber allen Beteiligten vorher bewusst. Es bleibt nicht ohne Risiko, wenn dieses Verfahren beendet wird, darüber sind wir uns im Klaren, immerhin war und ist es ein Teil der Kompensation für das gesamte Gebiet. Aber am Ende müssen wir als Politik aus der Verantwortung heraus für die kommenden 10, 20 und mehr Jahre eine Entscheidung treffen. Diese Entscheidung kann uns kein Partner, kein Investor oder die Verwaltung abnehmen“, erklärt Tobias Handtke abschließend.

Für die SPD Gemeinderatsfraktion

Sabine Brauer