KOMMUNALE FINANZEN
Die Arbeitsmarktreformen Hartz IV bedeuten einen umfassenden Systemwechsel in der Betreuung von (Langzeit)Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern. Durch die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe werden die Kommunen bei der Sozialhilfe entlastet die Kosten trägt der Bund - und mit Kosten der Unterkunft belastet. Daran beteiligt sich der Bund mit zurzeit 29,1 Prozent. Da der Bund mit den Kommunen keine Finanzbeziehungen unterhalten darf, wird dieser Zuschuss von den Ländern verteilt. Diese haben durch den kommunalen Finanzausgleich für die gerechte Verteilung des Geldes auf die Landkreise zu sorgen.

Der Schlüssel für die Zuweisungen vom Land an die Landkreise wurde jedoch nicht an den Systemwechsel angepasst. So erhalten auch 2005 noch Kreise mit einstmals hohen Sozialhilfelasten hohe Schlüsselzuweisungen. Dies ist ein gewichtiger Grund dafür, dass der Landkreis Harburg vor einer großen Finanzkrise steht, er wird durch den ungerechten Schlüssel nach derzeitigem Stand rund 4 Millionen Euro belastet, was zu dem voraussichtlichen strukturellen Defizit von zwölf bis 13 Millionen Euro beiträgt.

Ursachen für die klamme Finanzlage des Landkreises Harburg

1. Kürzung der Mittel für den Kommunalen Finanzausgleich durch das Land Niedersachsen / Land saniert sich auf Kosten der Kommunen

Die CDU/FDP-Landesregierung in Niedersachsen hat zunächst zum Zwecke der Sanierung des eigenen Haushalts die Mittel für den Kommunalen Finanzausgleich insgesamt gekürzt, für 2005 um 150 Millionen Euro, für 2006 um 162 Millionen Euro und für den gesamten Zeitraum von 2005 bis 2008 um insgesamt rund 642 Millionen Euro. Das Land ist aber in der Pflicht, den Landkreisen die Kosten für Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises zu erstatten (Konnexität). Stattdessen wurden im Rahmen der Verwaltungsreform und der Abschaffung der Bezirksregierungen den Landkreisen neue Aufgaben übertragen, ohne für die nötige ausreichende Finanzausstattung zu sorgen.

2. Auswirkungen der Hartz-IV-Reformen auf den Landkreis Harburg mit Entlastungen bei der Sozialhilfe und Belastungen beim Wohngeld

Die Landkreise sparen durch den Systemwechsel auf dem Arbeitsmarkt, wie einleidend erklärt, zwischen 80 und 95 Prozent der bisherigen Sozialhilfeaufwendungen. Im Gegenzug werden die Landkreise mit Kosten der Unterkunft belastet. Dieses wirkt sich regional äußerst unterschiedlich aus. Der Landkreis Harburg wird verhältnismäßig wenig entlastet, weil der Anteil der Sozialhilfeempfänger niedriger war als andernorts (also gibt es niedrige Schlüsselzuweisungen), aber verhältnismäßig stark belastet, weil das Mietniveau im Hamburger Umland extrem hoch ist (was aber derzeit bei den Schlüsselzuweisungen des Landes nicht berücksichtigt wird). Einen Ausgleich kann nur das Land Niedersachsen über den Kommunalen Finanzausgleich herstellen.

Zu den besonders benachteiligten Kommunen gehören neben dem Landkreis Harburg auch Odenburg (ebenfalls mehr als vier Millionen Euro minus), Gifhorn, Göttingen, Grafschaft Bentheim, Ammerland, Emsland, Rotenburg/Wümme, Vechta, Goslar und Lüneburg. Die größten Netteentlastungen verzeichnen die Region Hannover, Braunschweig, Hildesheim, Nienburg/Weser und Stade.

3. Landesanteil an den Kosten der Unterkunft

Im Zuge der Hartz IV-Reform haben die Länder im Vermittlungsausschuss zugesagt, ihre Einsparungen beim Wohngeld an die Kommunen zu erstatten. Das Land Niedersachsen hat eine Regelung in § 5 des Nds. Ausführungsgesetzes zum SGB II vorgenommen. Jedoch hat das Land nicht seine gesamten Einsparungen an die Kommunen weiter gegeben. Eine Summe von rund 50 Millionen Euro behält das Land den Kommunen vor. Nach den hier vorliegenden Zahlen aus dem Bundesfinanzministerium ergibt sich folgende Rechnung:

+ 226,8 Millionen Euro Minderausgaben des Landes Niedersachsen für Wohngeld durch die Wohngeldvereinfachung für 2005 + 22,4 Millionen Euro Entlastung des Landes Niedersachsen bei Eingliederungsleistungen für 2005 = 249,2 Millionen Euro Einsparung des Landes Niedersachsen für 2005 - 94,0 Millionen Euro Ausgleich Ost, Anteil des Landes Niedersachsen = 155,2 Millionen Euro Einsparung des Landes Niedersachsen, die an die niedersächsischen Kommunen weiterzuleiten wäre - 105 Millionen Euro Das Land hat nur ca. 105 Millionen Euro an die Kommunen weitergeleitet. = 50,2 Millionen Euro Es bleiben also ca. 50,2 Millionen Euro, die das Land Niedersachsen 2005 einkassiert hat.

4. Bundesanteil an den Kosten der Unterkunft / Wohngeld

Der Bund beteiligt sich prozentual an den Kosten der Unterkunft / am Wohngeld der Kommunen. Für 2005 war ein vorläufiger Anteil des Bundes von 29,1 Prozent vorgesehen. Auf Drängen der Kommunen und der Länder wurde eine Revisionsklausel vereinbart, nach der zweimal jährlich die Höhe des Anteils überprüft und der Anteil gegebenenfalls angepasst wird, um die gewünschte und zugesicherte Entlastung der Kommunen in Höhe von 2,5 Milliarden Euro sicherzustellen. Möglich war und ist sowohl eine Erhöhung wie auch eine Absenkung des Bundesanteils. Bei der Revision im Herbst gab es Streit zwischen Bund, Ländern und Kommunen sowohl über die Revisionskriterien als auch über Berechnungsmethoden. Aktuell führt das neue Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Gespräche mit den Ländern und den kommunalen Spitzenverbänden weiter. Die Beteiligten verständigten sich aber noch nicht auf eine Regelung.

Das Arbeitsministerium schlägt vor, den Bundesanteil für 2005 auf 29,1 Prozent festzusetzen. Für 2006 lautet das Angebot, den Anteil vorläufig auf 19 Prozent festzusetzen und in einem Revisionsverfahren Mitte 2006 wieder darüber zu verhandeln.

Die Vorschläge der Länder und Kommunen, die eigentlich für 2005 eine Beteiligung von 31,6 Prozent fordern, lauten, den Prozentsatz für dieses Jahr nicht endgültig festzuschreiben, sondern die bisher veranschlagten 29,1 Prozent Mitte 2006 in einer Schlussrevision wieder zu überprüfen. Für 2006 erwarten sie eine Fortschreibung des vorläufigen Bundesanteils in Höhe von 29,1 Prozent.

Am 14. Dezember soll nun das Kabinett über die Höhe des Bundesanteils entscheiden; Anfang 2006 soll das parlamentarische Verfahren für die gesetzlich vorgeschriebenen Anpassungen eingeleitet werden. Das heißt auf jeden Fall, dass es keine Absenkung der Beteiligung auf Null geben wird. Dieses war unter Ex-Arbeitsminister Wolfgang Clement im zweiten Revisionsbericht des ehemaligen Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit für die Jahre 2005 und 2006 noch vorgesehen. Es heißt auch , dass die Höhe des Bundesanteiles für 2005 und 2006 heute noch nicht endgültig feststeht.

5. Schieflage im Kommunalen Finanzausgleich (Nds. FAG)

Das Land hat es versäumt, die durch das Inkrafttreten von Hartz IV aufgetretenen neuen finanziellen Situationen in den Kommunen (durch Entlastung bei der Sozialhilfe und Belastung beim Wohngeld) auszugleichen. Das Land stellt beim Kommunalen Finanzausgleich die Verteilung der Mittel noch auf die früher maßgeblichen Sozialhilfekosten ab und nicht auf die davon abweichenden Kosten der Unterkunft und Heizung. Auch aus diesem Grund ist vermutlich der niedersächsische Kommunale Finanzausgleich ab dem Jahr 2005 verfassungswidrig. Die finanziellen Auswirkungen treten direkt bei den Landkreisen auf. Diese wiederum wissen sich teils nicht anders zu helfen, als die Kreisumlagen zu erhöhen und damit ihre Einnahmen durch das Geld ihrer Gemeinden aufzubessern.

LOKALE EBENE: SPD-Fraktion erklärt kommunalen Finanzausgleich für verfassungswidrig

Auf lokaler Ebene regt sich heftiger Protest gegen die Benachteiligung des Landkreises Harburg durch das Land. Denn: Der Landkreis Harburg mit einem geringen Anteil an Sozialhilfeempfängern und relativ hohen Mietkosten hat unter dem Strich erhebliche Mehrbelastungen zu tragen, wenn, wie jetzt, das Land seine Schlüsselzuweisungen des kommunalen Finanzausgleichs wie bisher auf die Basis der Zahl von Sozialhilfeempfängern stellt. Die SPD-Fraktion im Landkreis Harburg hält darum den kommunalen Finanzausgleich so wie er jetzt ist für verfassungswidrig. Sie fordert daher den Landkreis auf, gegen das niedersächsische Finanzausgleichsgesetz Klage zu erheben.

Im Kreistag ist der Antrag der SPD-Fraktion, die Möglichkeit einer Klage gegen das Gesetz zu prüfen, mit den Stimmen der CDU, FDP und Bündnis90/Die Grünen abgelehnt worden, weil Landrat Axel Gedaschko erklärt hatte, die Verhandlungen mit dem Land seien auf einem guten Weg. Nun will die SPD-Fraktion zumindest einen Ergänzungsantrag bei der Kreistagssitzung am 13. Dezember durchbringen, in dem die Verwaltung beauftragt wird, die Landesregierung unverzüglich aufzufordern, (a) die finanziellen Folgen der Zusammenführung von Arbeitslosen und Sozialhilfe für den Landkreis Harburg rückwirkend ab dem 1.1.2005 in voller Höhe auszugleichen und (b) das Niedersächsische Finanzausgleichsgesetz sowie alle anderen notwendigen Gesetze und Verordnungen derart zu novellieren, dass wieder eine gerechte Mittelverteilung der Schlüsselzuweisungen des Landes an die Kommunen möglich wird.

Unterdessen haben die hohen Mehrbelastungen im Landkreis Harburg dazu geführt, dass der Landkreis die Kreisumlage nicht wieder senken, sondern auf 53 Prozentpunkten belassen will. Sie war im Dezember 2004 von 49,5 Prozent auf 53 Prozentpunkte angehoben worden.