Im Sunderhof in Emmelndorf fand jetzt das 2. Werkstattgespräch des SPD-Unterbezirks und der SPD-Kreistagsfraktion statt. Die Kreis-SPD arbeitet an ihrem Programm zur Kreistagswahl 2006 und sucht dabei den Kontakt zu zahlreichen fachkundigen Experten. Dieses Mal standen auf der wiederum gut besuchten Veranstaltung die Themen Umweltschutz, Landwirtschaft und Regionalplanung im Mittelpunkt des Interesses.

Ein Solidarpakt für die Natur

Vermehrte Anstrengungen zur Vernetzung naturnaher Lebensräume forderte der Diplom-Biologe Dietrich Westphal beim zweiten Werkstattgespräch der SPD am letzten Samstag im Sunderhof (Seevetal-Emmelndorf). Der gegenwärtige Trend laufe genau entgegengesetzt, warnte Westphal. Durch vermehrte Inanspruchnahme von Flächen für Siedlung und Infrastruktur, aber auch durch Veränderungen in der Landwirtschaft käme es zur Entnetzung und zur Verinselung von Biotopen. Das begünstige das Verschwinden von Arten der Tier- und Pflanzenwelt. Um den negativen Trend zu brechen, bedürfe es verschiedener Maßnahmen, die langfristig angelegt seien und die vor allem nachhaltig Lebensräume für Tier- und Pflanzenwelt sichern. Als Beispiele nannte er den Umbau monotoner Wälder zu Mischwäldern, durchgehende Renaturierung von Bachläufen, Durchgrünung von Siedlungsgebieten und mehr Extensivierung in der Landwirtschaft.

Für einen Interessenausgleich im Konflikt zwischen Ökonomie und Ökologie setzte sich Rainer Böttcher, Dezernent für Naturschutz beim Landkreis ein. Es käme immer wieder zu Nutzungskonkurrenzen bei der Inanspruchnahme von Landschaftsteilen, wo zwischen privaten Nutzungsvorstellungen und der Erhaltung von Umweltgütern abgewogen werden müsse. Ein verschwenderischer Umgang mit natürlichen Ressourcen erweise sich am Ende auch ökonomisch als unsinnig. Die Altlasten aus früheren Mülldeponien gäben ein warnendes Beispiel.

Böttcher sprach sich für eine dauerhafte Beobachtung in der Entwicklung unserer Landschaft aus (Umweltberichte) und für eine Bewertung ihrer ökologischen Bedeutung. Bei Inanspruchnahme wertvoller Landschaftsteile müssten entsprechend aufwendigere Ausgleichsmaßnahmen stattfinden. Die Belange des Naturschutzes müssten bei Investitionsvorhaben rechtzeitig einfließen, damit Entscheidungen zügig getroffen werden können. Böttcher gab noch eine Reihe von Anregungen zu den bevorstehenden und weiterzuentwickelnden Maßnahmen und Projekten, die der Naturerhaltung dienen.

In der anschließenden lebhaften Diskussion stieß die Anregung auf besonderes Interesse, die Belange der Naturerhaltung auf Kreisebene mit einem Solidarpakt Natur nachhaltig zu fördern. Mehr als bislang müssten die Beteiligten miteinander sprechen und verhandeln und im Interessenausgleich aufeinander zugehen.

Foto zu den Themenrunden 1 und 2

Das Foto oben zeigt (v.l.n.r.): Klaus-Dieter Feindt (SPD-Unterbezirksvorsitzender), Prof. Dr. Jens-Rainer Ahrens (SPD-Kreistagsfraktionsvorsitzender), Ulrich Hochstadt (Hofgemeinschaft Arpshof), Christa Beyer (SPD-Kreistagsfraktion), Ulrich Peper (Landwirtschaftskammer Hannover - Kreisstelle Buchholz), Rainer Böttcher (Landkreis Harburg, Abteilung Naturschutz), Reinhard Riepshoff (SPD-Kreistagsfraktion) und Dietrich Westphal (Dipl.-Biologe). Strukturwandel als Chance nutzen

In der zweiten Themenrunde des Werkstattgesprächs ging es um konventionelle und ökologisch orientierte Landwirtschaft. Hier referierte als erster Ulrich Peper von der Kreisstelle Buchholz der Landwirtschaftskammer Niedersachsen.

Pepers zentrale These ist, dass die Landwirtschaft weiterhin einem verstärkten Strukturwandel ausgesetzt ist. Ausgelöst durch tief greifende Veränderungen in der Agrarpolitik und begleitet von schnellen technologischen Neuerungen in der Landwirtschaft hält der Trend zu größeren Betriebsformen und steigendem Mengen- und Preisdruck an. Dies zwinge die Landwirtschaft, Kostensenkungspotentiale auszuschöpfen, zu wachsen, sich zu spezialisieren, Marktnischen zu suchen, direkt zu vermarkten, als Dienstleister aufzutreten und vieles mehr.

Im Zusammenhang mit diesem raschen Strukturwandel müsse das Verhältnis von Landwirtschaft und Naturschutz neu austariert werden. Es gäbe dabei auch viele Berührungspunkte mit dem Anliegen des Umweltschutzes. So ist es allein schon aus Kostengründen auch für die Landwirte von hohem Interesse, den Einsatz von Düngemitteln und Pflanzenbehandlungsmitteln so gering wie möglich zu halten.

Auf der anderen Seite gebe es aber auch Konflikte. Der Kostendruck führe zur Einrichtung großer Schläge, die dem Auge als ausgeräumte Landschaft erscheinen. Solche Flächen würden auch künftig, u. a. zur Erzeugung von Biomasse zur Energieerzeugung, benötigt. Änderungen seien erreichbar durch entsprechende Feldrandgestaltung, Baumreihen, veränderte Fruchtfolge. Auf der anderen Seite aber gebe es auch den Teilrückzug aus der Fläche auf ungünstigen Böden, extensiver Tierhaltung, Vertragsnaturschutz und zeitweisen Flächenstilllegungen. Das Verhältnis von Landwirtschaft und Naturschutz verändere sich weiter, man müsse darüber miteinander sprechen.

Etwas andere Akzente setzte Ulrich Hochstadt, Landwirtschaftsmeister der Hofgemeinschaft Arpshof, der die Sicht der ökologisch orientierten Landwirtschaft vertrat. Aus Überzeugung oder auch aus anderen Gründen verzichten die Öko-Bauern auf Kunstdünger und Chemie, er, so Hochstadt, sei Überzeugungstäter. Die gegenwärtige Entwicklung der Öko-Landwirtschaft sei positiv einzuschätzen. Es gäbe zur Zeit einen Bio-Boom mit 12 Prozent Zuwachs beim Umsatz von Bio-Produkten, bundesweit gebe es einen Flächenzuwachs von zwei Prozent bei den Bio-Betrieben.

Die arbeitsaufwendigere Produktion auf Bio-Höfen schlage sich auch in den Preisen nieder. Die Antwort sei Direktvertrieb und vielfältige Kundenbindung durch zahlreiche Aktionen auf den Höfen (u. a. Hoffeste, Tage der offenen Tür). Der Landkreis Harburg sei dafür bestens geeig¬net. Bestimmte Entwicklungen würden auch von den Bio-Landwirten begrüßt. Etwa die Produktion von Bio-Masse zur Energieerzeugung (Landwirt als Energiewirt). Scharf wandte er sich gegen den Einsatz genmanipulierter Pflanzen, auch bei Pflanzenbau zur Energieerzeugung. Die Folgen der Ausbreitung derartiger Pflanzen seien noch nicht klar. Am Ende ergehe es uns wie dem Zauberlehrling bei Goethe: Die Geister, die ich rief, die werd ich nun nicht los.

Wichtig sei ihm auch, die bäuerliche Landwirtschaft zu erhalten. Sie sei prägend für die regio¬nale Identität. Um mehr Verständnis für Landwirtschaft und gesunde Ernährung zu erreichen, sollte Landwirtschaft und Ernährung als Schulfach eingeführt werden.

Die nachfolgende Diskussion galt besonders auch der Frage, ob gentechnisch veränderte Produkte akzeptiert oder auch die Verbreitung genmanipulierter Pflanzen hingenommen werden darf. Ulrich Peper plädierte hier für mehr Offenheit, im Publikum überwog die Skepsis.

Das Foto oben zeigt einige der zahlreichen interessierten Zuhörerinnen und Zuhörer. Ausgleich von Ökonomie und Ökologie schon bei Pflanzen

Die dritte Themenrunde des Werkstattgesprächs galt der Regionalplanung im Landkreis mit den Auswirkungen auf Natur und Landschaft. Dazu sprach zunächst als Experte Burkhard Jansen von der Landkreisverwaltung in Winsen unter der Fragestellung Landkreis Harburg wohin geht es?

Burkhard Jansen konnte zunächst vermelden, dass die Betrachtung der Raumordnung unter ökologischem Aspekt und dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit neu sei. Bisher richtete sich das Augenmerk schwerpunktmäßig auf die ökonomische, soziale und kulturelle Dimension. Dies führe zu neuen Sichtweisen, wie u. a. dazu, mit dem Flächenverbrauch noch sorgfältiger umzugehen. Konkreter bedeute dies z. B. die Flächen für Bodenabbau oder Windenergie einzugrenzen bzw. zu beschränken.

Ein wichtiger Faktor für künftige Entwicklung des Kreises sei die demographische Entwicklung. Die Bevölkerungszahl im Kreis wachse noch, aber deutlich langsamer. Gleichzeitig nehme in der Alterspyramide die Zahl der Älteren stark zu, die der Jüngeren ab (mehr Altenwohnungen, mehr ambulante Dienste).

Mehr als bisher noch müsse die Entwicklung für Wohnen auf die durch Bahnlinien gegebenen Siedlungsschwerpunkte gerichtet werden: auf die Achsen Harburg Neu Wulmstorf Stade, Harburg Winsen Lüneburg und Harburg Buchholz Tostedt. Damit würden die von den Gemeinden aus Steuermitteln zu finanzierenden Infrastrukturkosten gesenkt und die Zersiedelung der Achsenzwischenräume gebremst.

Die Vielfalt der Anforderungen an unseren Planungsraum erfordert eine Weiterentwicklung unserer Planungspolitik: Wirtschaft und Handel, Kultur, Natur, Lebensqualität im Landkreis müssen vorausschauend abgestimmt sein und es muss Klarheit über die Verbindlichkeit der Planungsvorgaben hergestellt werden.

Burkhard Kalliefe von der Kreisverwaltung Lüneburg ging noch einmal auf die möglichen Interessenkollisionen oder Konfliktlagen bei derartigen Planungen ein. Zielkonflikte treten nach seiner Erfahrung auf, wenn z. B. Freileitungstrassen eingeplant werden müssen oder Vorranggebiete, sei es für Natur, Siedlung, Windkraft oder Bodenabbau. Das gelte auch für die Ansiedlung von Großbetriebsformen des Handels. Auf jeden Fall sind hier langfristige Festlegungen vonnöten. Daher sei hier der Interessenausgleich besonders wichtig und die Politik stark gefragt. Anders lägen die Dinge, wenn alle Beteiligten mit ihren Zielen übereinstimmen oder es zu einem verträglichen Nebeneinander unterschiedlicher Nutzungen komme.

In jüngster Zeit steht auch die Abstimmung der Gebietskörperschaften im Rahmen der Metropolregion auf der Agenda. Hier bieten sich neue Chancen zu gemeinsamen Entwicklungen an, von denen sowohl die Stadt Hamburg als auch Umlandgemeinden gleichermaßen profitieren (z. B. Entwicklungen auf dem Gebiet der Röttiger-Kaserne, dem regionalen Entwicklungskonzept für den Gesamtraum oder beim Projekt Naturpark Lüneburger Heide).

In der abschließenden Diskussion waren sich die Teilnehmer einig, langfristig wirksame Vorstellungen über die weitere Entwicklung unseres Landkreises sind notwendig, hochpolitisch und zur Erhaltung einer lebenswerten Umwelt unerlässlich. Wir werden die vielen Anregungen aus diesem Werkstattgespräch in unsere Programmaussagen zur Kommunalwahl einbringen erklärte Unterbezirks-Chef Klaus-Dieter Feindt zum Abschluss.

Prof. Dr. Jens-Rainer Ahrens Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion

Foto zu der Themenrunde 3

Das Foto oben zeigt (v.l.n.r.): Burkhard Kalliefe (Kreisverwaltung Landkreis Lüneburg), Burkhard Jansen (Kreisverwaltung Landkreis Harburg), Prof. Dr. Jens-Rainer Ahrens (SPD-Kreistagsfraktionsvorsitzender) und Klaus-Dieter Feindt (SPD-Unterbezirksvorsitzender).